Die schwarzen Juwelen 05 - Finsternis
machen.
Doch er entschied sich dagegen.
»Hier«, sagte Jared und reichte ihr eine der Tassen. »Dieser Trank wird zwar weder deinen Blutergüssen noch deinem Knie helfen, aber er sollte die anderen Schmerzen ein wenig lindern.«
Sie hielt die Tasse in beiden Händen, um sich daran zu wärmen. »Danke«, flüsterte sie.
Jared setzte sich ihr gegenüber und nippte an seinem Kaffee. Er hatte Verständnis für ihr Zögern. Eines der ersten Dinge, welche die Angehörigen des Blutes zu Beginn ihrer offiziellen Ausbildung lernten, war, wie man Essen und Getränke mental nach Substanzen abtastete, die nicht hineingehörten. Es funktionierte nicht immer. Es gab raffinierte Tränke, Substanzen, die harmlos waren, bis man sie mit etwas anderem mischte, Beruhigungsmittel, die so schnell wirkten, dass der betreffende Mensch einem unvermuteten Feind hilflos ausgeliefert war. Sie wäre eine Närrin, wenn sie den Trank nicht untersuchte.
Während er beobachtete, wie sie mit dem Finger am Rand der Tasse entlangstrich, fragte er sich, ob sie im Moment überhaupt in der Lage war, die nötige Kunst aufzubringen.
»Ich habe auch eine Tasse für Thera gemacht«, sagte Jared.
Sie trank einen winzigen Schluck und starrte die Tasse dann überrascht an. »Es schmeckt gut.« Sie musterte ihn, ohne ihn direkt anzusehen. »Wo hast du gelernt, einen Heiltrank zuzubereiten?«
»Meine Mutter ist Heilerin. Da habe ich ein paar Dinge gelernt.« Es war nicht wirklich eine Lüge. Er hatte tatsächlich ein paar grundlegende Dinge in Sachen Heilkunst von
Reyna aufgeschnappt. Nur die Mondzeittränke gehörten zufälligerweise eben nicht dazu.
Doch die Worte erzielten die erwartete Wirkung. Eine Heilerin war eine allseits respektierte Frau, der man vertraute, dass sie keine schädlichen Tränke braute.
Er wusste es besser. An Orten, die im Schatten von Hayll standen, waren die Heilerinnen nicht immer gut ausgebildet oder respektiert, und manche hatten sich darauf eingelassen, anderen zu schaden, um die eigenen Haut zu retten.
Ihre Schultern entspannten sich und sie trank einen weiteren Schluck, was ihn erleichtert zu dem Schluss kommen ließ, dass die Heilkunst in Dena immer noch von Bedeutung sein musste.
Er wollte ihr nicht wehtun. Sie erlitt bereits schreckliche Schmerzen. Doch ihr selbst auferlegtes Exil eröffnete ihm die Möglichkeit, sich unter vier Augen mit ihr zu unterhalten, ohne die Aufmerksamkeit der anderen zu erregen. Es gab etliche Fragen, die er verschoben hatte, während sie zu der Lichtung zurückgekehrt waren, gegessen und sich für die Nacht fertig gemacht hatten, zu erschöpft, um sonst etwas zu tun.
Folglich gab er sich Mühe, freundlich und besänftigend zu klingen, und sandte beruhigende mentale Fäden aus, damit seine männliche Stärke sie nicht so sehr verängstigte, dass sie sich nicht mit ihm unterhalten wollte.
»Lady...« Jared hielt inne. Die Stirn in Falten gelegt, nippte er erneut an seinem Kaffee. Wie sollte er sie anreden? Sprachen die Leute bei Hofe sie als Lady Arabella Ardelia an? Bei offiziellen Anlässen vielleicht, aber doch gewiss nicht im normalen Gespräch. Lady Arabella? Das ließ ihn an eine blonde, zierliche Dame denken, die Spitze und Rüschen trug, nicht an diese Frau, die nicht nur deutliche Muskeln, sondern auch Rundungen besaß. Lady Ardelia?
Ja.
Eine Frau, so stark wie das Land, mit einem Herzen aus Feuer.
Andererseits war die Lady da vielleicht anderer Meinung.
»Wie sprechen deine Leute dich an?«, fragte er und musste zu seiner Überraschung feststellen, wie sehr ihre Antwort ihn enttäuschen konnte.
Zum ersten Mal, seitdem er den Wagen betreten hatte, sah sie ihn direkt an. Ihre Lippen zuckten. »Mein Vater nennt mich Bella. Meine Mutter nennt mich Belle.« Ihre Miene verfinsterte sich, und ihre Lippen verzogen sich zu einem lautlosen Knurren. »Mein Cousin nennt mich Bello.« Sie trank von ihrer Tasse und fügte leise murmelnd hinzu: »Ich habe meinen Cousin noch nie ausstehen können.«
Klugerweise hob Jared sich die Tasse an die Lippen, um sein Lächeln zu verbergen. »Wie möchtest du genannt werden?«
»Lia«, sagte sie. »Als ich sieben war, beschloss ich, dass ich Lia genannt werden wollte. Also nennen mich mittlerweile alle so – außer meinen Eltern.«
»Und deinem Cousin«, setzte Jared hinzu, diesmal ohne sein Grinsen zu verbergen.
Sie murmelte etwas wenig Schmeichelhaftes.
Lia. Der Name wehte wie eine warme Sommerbrise über ihn hinweg. Lady Lia. Er konnte sich
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