Die schwarzen Juwelen 05 - Finsternis
und ausgefallene Schimpfwörter von sich gab, die jeden Mann hätten zusammenzucken lassen, fauchte sie ihn an: »Wieso sprichst du so von meinem Vater?«
»Welcher Mann würde sich zurückhalten und dich gewähren lassen?«
»Was hättest du getan, wenn deine Königin dir befohlen hätte, deine Tochter ziehen zu lassen?«
»Ich hätte dagegen angekämpft!«
»Das hat er auch getan! Er hat verloren.« Sie zuckte zusammen und schlang sich den linken Arm um den Bauch. »Und jetzt wird er mich anbrüllen, sobald ich nach Hause komme. Er wird mich umarmen und wegen der Blutergüsse schier in Tränen ausbrechen, und dann wird er mich anbrüllen.«
Da Jared selbst gerne ein bisschen gebrüllt hätte, lehnte er sich vor und tätschelte ihr sanft die Schulter. Nun verstand er die Wutausbrüche seines Vaters, obwohl er sich noch ganz gut daran erinnern konnte, wie es gewesen war, ihnen zum Opfer zu fallen. »Fühlt sich alles andere als gerecht an, was? Angebrüllt zu werden, wenn man ohnehin schon Schreckliches durchgemacht und es überlebt hat.«
Sie schüttelte den Kopf und schniefte.
Das Tätscheln wurde zu besänftigenden kreisenden Bewegungen.
Jared zögerte. »Es muss doch noch andere Möglichkeiten gegeben haben, Dorothea wissen zu lassen, dass die Graue Lady immer noch eine ernst zu nehmende Gegnerin ist. War eine Reise nach Raej, um ein paar Sklaven mehr zu kaufen, wirklich das Risiko wert?«
Ihre Augen wurden steinhart. »In Dena Nehele gibt es keine Sklaven«, sagte sie traurig und rückte weit genug ab, um ihm zu bedeuten, dass sie nicht länger von ihm berührt werden wollte.
Ihr Rückzug verletzte ihn, und er tat es ihr an Kälte gleich. »Tja, wenn ihr also euer kostbares Territorium vom Gestank der Sklaverei sauber halten wollt, was stellt ihr dann also mit den Sklaven an, die ihr kauft?«
»Natürlich schicken wir sie nach Hause. Zumindest wenn sie nach Hause zurückkehren wollen.«
Das ließ ihn innehalten.
Sein Gehirn blieb stehen, ebenso sein Herz, und seine Wut verblasste.
»Nach Hause?« Jareds Stimme überschlug sich. Mit einem Ruck hämmerte sein Herz wieder weiter. »Ihr schickt sie nach Hause?«
Lia nahm die Tasse in beide Hände und trank den letzten Schluck. »Ja, wir schicken sie nach Hause – oder laden sie ein zu bleiben, wenn sie in ihrem Zuhause nicht länger sicher sind.« Sie schloss kurz die Augen und atmete mehrmals tief durch. »Dorothea SaDiablo hat nichts Geringeres im Sinn, als das ganze Reich Terreille unter ihre Kontrolle zu bringen. Das war schon ihr Ziel, als sie vor Jahrhunderten die Hohepriesterin von Hayll wurde. Da offener Krieg das Reich verwüstet hätte, musste sie eben eine andere Möglichkeit finden, die übrigen Angehörigen des Blutes zu bekämpfen.«
»Angst«, sagte Jared leise. »Im Laufe der Zeit würde Angst zwischen den Geschlechtern ein Territorium schwächen.«
Lia nickte. »Und Zeit hat sie, denn die Hayllier sind ein langlebiges Volk. Die Samen des Misstrauens werden von einem Dorf zum nächsten getragen, während sie die Hexen mit hellen Juwelen fördert, die von Natur aus genauso pervers sind wie sie selbst. Starke Männer, die sich eventuell nicht einer ihrer Puppenköniginnen fügen, werden schon in jungen Jahren beringt, bevor sie ›gefährlich‹ werden. Reife Männer, die das neue Herrschaftssystem infrage stellen, erklärt man zu Geächteten, und sie werden entweder gejagt, umgebracht oder sie tauchen unter. Alle Hexen mit dunklen Juwelen und die meisten Königinnen werden schon in jungen Jahren gebrochen, damit niemand übrig ist, mit dem sich die Männer verbinden könnten, abgesehen von Dorotheas Marionetten.«
Jared stellte seine Tasse auf dem Boden ab und verschränkte dann fest die Hände. Es hatte ihm die Sprache verschlagen. Wäre die Sklaverei auch ohne jenen jugendlichen Fehler sein Schicksal gewesen? Hätten die shaladorischen Königinnen von ihm verlangt, den Ring des Gehorsams
anzulegen, damit sie seine rote Kraft kontrollieren konnten?
Nein. Nicht in Shalador!
»Es geht langsam vonstatten«, fuhr Lia fort. »Über etliche Generationen. Oberflächlich betrachtet scheint sich nichts zu verändern, weil die Unterschiede anfangs so minimal sind. Eine neue Auslegung des Protokolls. Ein gewisses Misstrauen den stärkeren Hexen gegenüber. Gerüchte. Geschichten von Misshandlungen. Die Verbundenheit mit und die Abhängigkeit von Hayll wachsen und wachsen, bis schließlich der Tag anbricht, an dem eine von Dorotheas
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