Die schwarzen Juwelen 05 - Finsternis
Wärmezauber, damit das Blut nicht abkühlte. Dann ließ er das Messer verschwinden, drückte den Daumen auf die Wunde und ging zum Rand der Lichtung zurück.
Am Rande von Ranonwald gab es ein natürliches Becken. Umgeben von grasbedeckten Hängen befand sich dort der gewaltige Tanzkreis, dessen Erde regelmäßig sorgsam durchsiebt
und geharkt wurde. Immer bei Neumond und Vollmond versammelten sich dort die Hexen, um mit ihren Schwestern zu tanzen. Aber bei Vollmond nach der Frühlings- und Herbsttagundnachtgleiche wurde öffentlich die Feier des Männlichen begangen.
Sobald sich der Himmel verdunkelte und der Mond aufging, versammelten sich die Männer auf den Straßen. Sie unterhielten sich leise und beobachteten die Frauen, die wie zufällig, ohne erkennbare Ordnung, auf den Kreis zustrebten.
Während sie den Frauen folgten, konnten sie auf einmal die Trommeln hören, denn der mithilfe der Kunst verstärkte Klang stieg empor und erfüllte die Landschaft. Dann erhob sich die Stimme der Priesterin in wortlosem Gesang über das Trommeln und rief sie zum Tanz. Die Stimme einer anderen Hexe fiel in das Lied ein, dann noch eine und noch eine.
Langsam glitten die Männer den Hang hinauf und auf der anderen Seite wieder hinunter. Sie reihten sich in den Kreis der Frauen ein, wo Plätze freigelassen worden waren, während die Priesterin das Freudenfeuer entzündete. Eine Frauenstimme nach der anderen verstummte. Die Priesterin neigte den silbernen Kelch und bildete mithilfe der Kunst und des Blutes, das die Hexen für den Tanz geopfert hatten, den Kreis. Sobald sie den Kreis zu Ende beschrieben hatte, waren nur noch ihre Stimme und die Trommeln zu vernehmen.
Der Tanz der Weisheit, der Tanz der Ältesten, kam zuerst. Die Priesterin stand am Rand des Kreises, streckte die Hand aus und führte den ersten Mann in den Kreis. Sie brachte einen Mann nach dem anderen in den Kreis und zog sich dann schließlich zurück, als der letzte Mann, der tanzen wollte, den Kreis betreten hatte.
Die Trommelschläge änderten ihren Rhythmus, und Fiedeln und Flöten traten an die Stelle der Frauenstimmen. Und die Männer tanzten die Schritte, die man schon seit den Zeiten der großen Königin Shal getanzt hatte.
Nach dem Tanz der Weisheit erhob sich erneut die Stimme der Priesterin im Takt mit den Trommeln. Die älteren
Männer traten nun an den Kreisrand und führten für den Tanz der Knaben diejenigen Jungen über die Begrenzung, welche die Geburtszeremonie hinter sich gebracht hatten.
Der Tanz der Weisheit drückte Erfahrung und Würde aus; der Tanz der Knaben war eine Feier des Temperaments und der Energie.
Dann kam der Tanz der Jünglinge, welche die Pubertät durchlebt, der Dunkelheit aber noch nicht ihr Opfer dargebracht hatten.
Nach dem Tanz der Jünglinge kam der Tanz, der die männliche Kraft in all ihrer ursprünglichen Herrlichkeit feierte: der Tanz des Feuers. Ein Tanz der Sexualität.
Gefährten, verheiratete Männer und solche, die einer Frau versprochen waren, durften kurze Lendenschurze tragen, wenn sie wollten. Die anderen Männer, die ihr Opfer dargebracht hatten, aber noch keine förmliche Bindung mit einer Frau eingegangen waren, zeigten ihre Bereitwilligkeit, Liebhaber zu werden, indem sie nichts als ihre Juwelen und ihren Stolz trugen.
Ein heißer Tanz. Ein anstrengender Tanz, dessen Schritte genauso formal festgelegt waren wie die Schritte der anderen, der aber dennoch aufreizend und erregend war und sinnliche Freuden versprach.
Du bist nicht alt genug für den Tanz des Feuers, Jared.
Aber ich habe mein Opfer dargebracht!
Ja, das hast du. Aber in fast jeder anderen Hinsicht bist du immer noch ein Jüngling.
Ich bin bereit für den Tanz des Feuers, Vater.
Juwelen hin oder her, ein Mann zu sein bedeutet mehr, als bloß einen harten Schwanz zu haben.
Aber …
Wir sprechen vor dem Frühlingstanz noch einmal darüber. Alles hat seinen Preis, Jared. Du kannst nicht die Freuden eines Mannes genießen, ohne auch seine Verantwortung zu tragen. Für das eine magst du bereit sein, aber nicht für das andere.
Jared beobachtete, wie die Flammen gen Himmel züngelten.
Hatte das mit zu seinem Unglück beigetragen? Während er immer noch wie ein kleiner Junge – der er in Wirklichkeit immer noch gewesen war – schmollte, hatte er da die Warnungen in den Wind geschlagen und die Einladung jener Hexe angenommen, um das Urteil seines Vaters anzufechten und zu beweisen, dass er doch ein Mann war?
Doch Belarr hatte
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