Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Schwarzen Roben

Die Schwarzen Roben

Titel: Die Schwarzen Roben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raymond E. Feist
Vom Netzwerk:
jeden körperlichen Wettstreit. Für ihn besaßen die Feinheiten des Spiels an sich bereits eine beinahe hypnotische Faszination.
    Schon früh hatte er sich seinem Vater und anderen Lehrern gegenüber als überlegen erwiesen. Als Junge hatte er von seinem älteren Bruder Halesko und seinem jüngeren Bruder Buntokapi wegen der geringschätzigen Leichtigkeit, mit der er sie besiegte, oft Schläge einstecken müssen. Jiro hatte sich ältere Gegner gesucht und sogar gegen midkemische Händler gespielt, die immer häufiger das Kaiserreich besuchten, um neue Märkte für ihre exotischen Waren zu finden. Sie nannten das Spiel Schach, doch die Regeln waren die gleichen. Aber auch in ihren Reihen fand Jiro nur wenige, die für ihn eine echte Herausforderung darstellten.
    Der einzige Mann, den er niemals geschlagen hatte, saß ihm jetzt gegenüber und warf abwesend einige Blicke über eine Reihe fein säuberlich neben seinen Knien aufgestapelter Dokumente. Chumaka, Erster Berater der Anasati schon unter Jiros Vater, war ein gertenschlanker, schmalgesichtiger Mann mit einem spitzen Kinn und schwarzen, undurchdringlichen Augen. Er betrachtete das Brettspiel wie im Vorbeigehen, hielt hier und da inne, um die Züge seines Herrn zu beantworten. Doch die abwesende Weise, in der sein Erster Berater ihn immer wieder besiegte, machte Jiro keineswegs wütend, ganz im Gegenteil erfüllte es ihn mit Stolz, daß ein solch gewandter Geist den Anasati diente.
    Chumakas Fähigkeit, komplexe politische Situationen vorauszuberechnen, grenzte manchmal ans Unheimliche. Seinen klugen Ratschlägen hatte Jiros Vater einen großen Teil seines Aufstiegs im Spiel des Rates verdankt. Während Mara von den Acoma die Anasati früh auf ihrem Weg zu Größe und Macht gedemütigt hatte, hatte Chumaka mit weisem Rat zur Seite gestanden und so die Interessen der Familie vor Rückschlägen in jenem Konflikt bewahrt, der sich zwischen den Acoma und den Minwanabi entsponnen hatte.
    Jiro kaute an seiner Unterlippe; er war hin und her gerissen zwischen zwei Zügen, die schnelle kleine Vorteile versprachen, und einem anderen, der eine langfristigere Strategie erforderte. Während er nachdachte, wanderten seine Gedanken zurück zum Großen Spiel: Die Auslöschung des Hauses Minwanabi hätte ein Grund zum Feiern gewesen sein können, da sie auch Gegner der Anasati gewesen waren – wenn der Sieg nicht von der Frau errungen worden wäre, die Jiro mehr haßte als alles andere auf der Welt. Seine Feindseligkeit rührte von dem Augenblick her, da Lady Mara die Wahl ihres Ehemannes bekanntgegeben hatte und seinen jüngeren Bruder Buntokapi ihm vorgezogen hatte.
    Es spielte keine Rolle, daß, hätte sein Ego nicht einen solchen Schlag erhalten, Jiro an Stelle Buntos derjenige gewesen wäre, den die Machenschaften der Lady getötet hätten. So angetan der letzte lebende Sohn des Anasati-Geschlechts auch sonst von gelehrten Gedanken sein mochte, verschloß er sich, was diesen Punkt betraf, jeder Logik. Er nährte seine Gehässigkeit durch Grübeleien. Daß die Hexe kaltherzig den Tod seines Bruders geplant hatte, war Grund genug für blutige Rache, es spielte keine Rolle, daß Bunto von seiner Familie verachtet worden war und sich von allen Verbindungen zu den Anasati losgesagt hatte, als er zum Lord der Acoma wurde. So tief und so brennend war Jiros Haß, daß er sich hartnäckig der Erkenntnis verschloß, daß er zu seiner eigenen Herrschaft nur deshalb gekommen war, weil Mara ihn verschmäht hatte. Im Laufe der Jahre war sein jugendlicher Durst nach Rache zur dauerhaften Obsession eines gefährlichen, schlauen Rivalen geworden.
    Jiro warf einen Blick auf das Shah-Spiel, doch er rührte noch keinen Finger, um eine Figur zu verrücken. Chumaka bemerkte dies, während er seine Papiere durchblätterte. Er wölbte die Augenbrauen. »Ihr denkt wieder an Mara.«
    Jiro wirkte verärgert.
    »Ich habe Euch gewarnt«, erklärte Chumaka mit seiner rauhen, emotionslosen Stimme. »Wenn Ihr zu lange über Eure Feindschaft nachdenkt, gerät Euer inneres Gleichgewicht durcheinander, und Ihr bringt Euch am Ende um den Sieg.«
    Der Lord der Anasati verlieh seiner Geringschätzung Ausdruck, indem er sich für den kühneren der beiden kurzsichtigen Züge entschied.
    »Aha.« Chumaka machte sich nicht einmal die Mühe, seine Freude zu verbergen, als er seine geschlagene Figur vom Spielbrett nahm. Während seine linke Hand immer noch mit den Papieren raschelte, schob er mit der rechten seinen

Weitere Kostenlose Bücher