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Die Schwarzen Roben

Die Schwarzen Roben

Titel: Die Schwarzen Roben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raymond E. Feist
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über den Brief hinweg einen durchdringenden Blick zu. »Ihr werdet immer besser, Lord Jiro.«
    Jiro nahm das Kompliment hin, das letztlich wenig bedeutete, aber die erneute Niederlage etwas erträglicher werden ließ. »Ich frage mich oft, wie Ihr so brillant spielen könnt, während Ihr mit Euren Gedanken bei ganz anderen Angelegenheiten seid, Chumaka.«
    Der Erste Berater ließ das Dokument in den Falten seines Gewands verschwinden. »Shah ist nur ein Aspekt des vorbereiteten Geistes, Mylord.« Er betrachtete seinen Herrn aus Augen, die halb unter schweren Lidern verborgen waren, und fügte dann hinzu: »Der Trick besteht nicht in einer Strategie, sondern darin, den Gegner zu kennen. Ich habe Euch Euer ganzes Leben lang beobachtet, Herr. Seit Eurem dritten Zug konnte ich fühlen, worauf Ihr hinauswolltet. Bei Eurem sechsten Zug hatte ich mehr als vier Fünftel aller Möglichkeiten des Spiels ausgeschlossen.«
    Jiro ließ die Hände kraftlos in den Schoß sinken. »Wie?«
    »Weil Ihr wie die meisten Männer eine Schöpfung der Götter seid, Mylord. Ich kann mich darauf verlassen, daß Ihr nach einem Muster handelt, das von Eurem ganz persönlichen Charakter abhängt.« Chumaka stopfte das Pergament in eine weite Tasche seiner Robe. »Ihr habt eine ruhige Nacht verbracht. Gut gegessen. Ihr wart entspannt. Während Ihr Euch konzentriert habt, wart Ihr nicht … hungrig. Beim dritten Zug konnte ich darauf schließen, daß Euer Spiel Direktheit widerspiegeln würde, nicht… Kühnheit und Risiko.« Er widmete Jiro seine ungeteilte Aufmerksamkeit. »Das Geheimnis besteht darin, die Schlüssel aufzuspüren, die die Gedanken eines Gegners enthüllen. Lernt seine Motive kennen, seine Leidenschaften, und Ihr braucht nicht darauf zu warten, was er tut: Ihr könnt seinen nächsten Schritt vorausberechnen.«
    Jiro lächelte humorlos. »Ich hoffe, daß eines Tages ein Shah-Meister zu Besuch kommt, der Euch zu demütigen weiß, Chumaka.«
    Der Erste Berater zuckte mit den Schultern. »Ich bin viele Male gedemütigt worden, Mylord. Viele Male. Doch Ihr habt es niemals gesehen.« Sein Blick flackerte voller zufriedener Erinnerung über die unordentlich aufgestellten Spielfiguren. »Spielt mit solchen, die Euch nicht so gut kennen wie ich, und Ihr werdet als Sieger hervorgehen. Um die Wahrheit zu sagen, Ihr habt eine beneidenswerte Begabung für Strategien. Ich bin kein besserer Shahspieler, Herr.« Der Erste Berater griff nach einem anderen Blatt aus der Tasche, während er seine Grübelei beendete. »Doch ich habe Euch sehr viel genauer beobachtet, als Ihr es jemals mit mir getan habt.«
    Jiro fühlte sich unbehaglich, daß irgend jemand, selbst ein so loyaler Diener wie Chumaka, ihn einer solch genauen Musterung unterzogen hatte. Dann fing er sich jedoch wieder: Er war glücklich, daß er diesen Mann für ein derart wichtiges Amt besaß.
    Chumakas Aufgabe war es, ihm als Berater zur Seite zu stehen, als Vertrauter und Diplomat. Je besser er seinen Herrn kannte, desto besser würde er den Anasati dienen. Ihn wegen seiner überragenden Fähigkeiten zu hassen, wäre nur eines Narren würdig, der Fehler eines eitlen Herrn, der keine Schwächen zugeben konnte. Jiro schalt sich wegen seiner Selbstsucht und fragte dann: »Was hat Eure Aufmerksamkeit heute morgen so gefangengenommen?«
    Chumaka kramte in der Tasche, griff nach einigen weiteren Berichten und schob das Shah-Spiel beiseite, um die Zettel um seine Knie herum verteilen zu können. »Ich habe die Spur verfolgt, die ins Spionagenetzwerk der Acoma führte, und die Kontakte beobachtet, wie Ihr wünschtet. Jetzt habe ich Nachrichten erhalten, die ich einzuordnen versuche.« Seine Stimme wurde zu einem Gemurmel, das nur er verstehen konnte, als er die Stapel neu ordnete; dann wurde sie klarer, als et laut dachte: »Ich bin mir nicht ganz sicher …« Er schob wieder ein Blatt von einem Stapel auf einen anderen. »Verzeiht mir die Unordnung, Herr, doch diese Methode hilft mir, Verbindungen aufzuspüren. Zu häufig ist man geneigt, die Abfolge von Ereignissen als eine klare Linie aufzufassen, in einer bestimmten Ordnung, während das Leben selbst eher … chaotisch ist.« Er strich sich mit Daumen und Zeigefinger über das Kinn. »Ich habe oft über einen Tisch mit verschieden hohen Brettern nachgedacht, damit ich meine Berichte auf verschiedenen Höhen ablegen und so die Verbindungen und Beziehungen noch stärker dramatisieren könnte …«
    Die Erfahrung hatte Jiro gelehrt, sich

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