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Die schwarzen Wasser von San Marco

Die schwarzen Wasser von San Marco

Titel: Die schwarzen Wasser von San Marco Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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tatsächlich gesagt –, also Herr Boehl hat durchaus einige Republiken genannt, als er mich bat, Herrn Chaldenbergen aufzusuchen, und …«
    »Wissen Sie, am besten fragen Sie das Herrn Chaldenbergen selbst«, unterbrach mich Falkenstein und streckte mir die Hand hin. »Sie müssen mich jetzt entschuldigen …«
    »Aber wo finde ich ihn denn?«
    »Er hat ein Haus in Cannareggio gemietet, irgendwo in der Nähe von Madonna dell’Orto«, sagte Falkenstein erschöpft. »Sie müssen ein wenig herumfragen, dann finden Sie es schon.«
    »Dann will ich ihn bald aufsuchen. Ich habe gehört, er trage sich mit dem Gedanken an seine Rückkehr nach Lübeck. Nicht dass ich ihn am Ende verpasse und dann …«
    »Er hält heute Abend eine Feierlichkeit für seine Geschäftsfreunde ab. Da werden Sie ihn am ehesten zu Hause antreffen.« Falkenstein hielt mir die Hand wieder hin, und ich schüttelte sie. Ich merkte, dass seine Finger schnell erschlafften, weil er sich losmachen wollte, aber ich hielt ihn fest.
    »Eine Feier?«, rief ich freudig. »Dann sehen wir uns dort heute Abend?«
    »Herrn Chaldenbergens Geschäftsfreunde sind ausschließlich Venezianer«, erklärte Falkenstein steif und entwand mir seine Hand. »Leben Sie wohl.«
    »Herr Boehl schien ein wenig ungehalten zu sein, als er mir seine Botschaft mitgab«, sagte ich. Das genügte, um Falkenstein zum Stehenbleiben zu veranlassen.
    »Ach?«, erwiderte er und bemühte sich nach Kräften, desinteressiert zu scheinen.
    »Ich sollte sie Ihnen ja vermutlich nicht verraten …«
    »Natürlich nicht.«
    »… aber Herr Boehl hat mir zu bestellen aufgetragen, wenn Herr Chaldenbergen sich unterstehe, in Florenz aufzutauchen, werde er seine Beziehungen zur signoria spielen lassen, noch bevor Herr Chaldenbergen wisse, wie man Santa Maria del Fiore buchstabiert.«
    Falkensteins Gesicht hellte sich auf. »Tatsächlich?«, fragte er und stellte sich noch immer erfolglos als vollkommen desinteressiert dar.
    »Wenn Sie Herrn Boehl kennen, wissen Sie ja, dass er noch ganz andere Worte benutzt hat.«
    Falkenstein nickte und verzog den Mund zu einem Lächeln.
    »Das Haus liegt am Rio della Sensa, zwischen dem Rio dei Muti und dem Campo dei Mori. Wenn Sie morgen noch mal wiederkommen und mir sein Gesicht schildern, nachdem Sie ihm die Botschaft überbracht haben, würde ich mich freuen.«
    Ich grinste und nickte. Falkenstein hielt mir nochmals die Hand hin. »Aber passen Sie auf sich auf. Mehr kann ich nicht sagen.«
    Er drückte mir die Hand und stapfte eilig in sein Reich aus Konten, Saldi und offenen Wechseln zurück.
    Der Bauer mit dem Esel war mittlerweile bis in den Tordurchgang vorgerückt. Der Esel hatte jede Stelle, an der er und sein Herr hatten warten müssen, aus Langeweile markiert. Vielleicht war es auch eine Taktik, um die Fliegen von sich fortzulocken. Die beiden Männer, die sich hinter ihnen eingereiht hatten, waren verschwunden, entweder von der Effizienz des Fondaco oder von den Ausscheidungen des Esels und seinen Fliegen verjagt.
    Als ich in der Herberge ankam, teilte mir Michael Manfridus mit, Jana sei aus dem Schlaf erwacht.
    »Gehen Sie nur gleich hinauf«, sagte er, ohne aufzublicken, während er in einem dicken Folianten Zahlenreihen addierte und dabei konzentriert mit den Rechenkügelchen in ihren Rinnen hantierte. Im Moment war er für die Welt verloren. Ich war schon die ersten Stufen hinauf, als ihm einfiel, mir hinterherzurufen: »Wir freuen uns alle sehr, dass es ihr besser geht.«
    Vor der Tür hörte ich bereits Fiuzettas Stimme und dazwischen, schwach und leise, Jana. Ich wollte die Tür aufstoßen, doch da wurde mir klar, dass Jana weinte, und plötzlich fühlte ich mich beklommen. Mit der Hand auf der Klinke stand ich da, und meine Hand war ebenso kalt wie das gebogene Eisen.
    »Es ist tot«, schluchzte Jana, »es wäre unser Kind gewesen, und es ist tot.«
    »Du kannst doch nichts dafür …«, beruhigte sie Fiuzetta.
    »Woher willst du das wissen? Vielleicht hätte ich anfangs nicht reiten sollen, als wir Florenz verließen? Oder ich hätte andere Speisen essen sollen; den Wein nicht trinken, den uns Lorenzo mitgab? Vielleicht hätte ich nur Wasser zu mir nehmen sollen?«
    »Mit Wasser kriegst du am ehesten eine Vergiftung«, konstatierte Fiuzetta nüchtern.
    »Aber ich habe etwas falsch gemacht, und es ist tot!«
    »Gianna, jeden Tag geht irgendwo ein Kind ab! Manches Mal liegt es tagelang tot im Bauch der Frau, und die Frau stirbt auch, weil

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