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Die schwarzen Wasser von San Marco

Die schwarzen Wasser von San Marco

Titel: Die schwarzen Wasser von San Marco Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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Wasser hinunter war umgeben von mindestens einem Dutzend Booten, die in dem leicht bewegten Wasser unruhig vor sich hin schaukelten; in der beginnenden Abenddämmerung wirkten die bunten Farben der Wasserfahrzeuge dunkel gegen die schillernden Töne, mit denen die Wellen des Kanals den Himmel widerspiegelten. Die Bootsführer saßen an der Kante der Uferpromenade, ließen die Beine baumeln und einen Krug Wein kreisen. In einem Strohkorb vor ihnen türmten sich mehlig-weiße Brotfladen; als sich die Nebentür öffnete und ein verächtlich grinsender Lakai ihnen einen weiteren Brotkorb brachte, ließen sie ihn johlend hochleben. Sie richteten sich darauf ein, dass ihre Herren erst spät von der Feier zurückkehren würden, die in dem Haus in ihrem Rücken stattfand. Sie lachten über einen Witz, den einer von ihnen gemacht hatte, und ich fühlte Wut in mir aufsteigen, als ob die Männer wüssten, welche geheimen Lüste der Gastgeber ihrer Herren pflegte, und sich darüber amüsierten. Sie würdigten mich keines Blickes.
    Ich sah kurz zu dem marmornen Turbanträger, der die Nebentür bewachte und mit leerem Gesicht die Gruppe der Bootsführer betrachtete, dann drückte ich die Eingangstür auf. Der Gang dahinter war dunkel und lang, unterquerte die Tiefe der zum Kanal hin angeordneten Räumlichkeiten in den beiden Obergeschossen und endete in einem kleinen Innenhof, der ähnlich wie der im Haus Rara de Jadras mit Terrakottafliesen im Fischgrätmuster gepflastert war. Aus dem Obergeschoss ertönte der Lärm einer Feierlichkeit, die gerade begonnen hat und bei der die Anwesenden sich noch nach Kräften bemühen, ihren Platz in der abendfüllenden Hackordnung zu bestimmen. Wie in Raras Haus führte eine Treppe an einer Seite des Innenhofs nach oben. Ich schritt hinauf, hörte das Knarren des Holzes und das Gelächter aus dem großen Saal, vor allem aber das Pochen meines Herzens. Mein Plan, an Caterina heranzukommen, war kaum durchdacht und endete bereits bei dem Inkognito, das ich mir zurechtgelegt hatte. Ob ich es benötigte, um als Nichteingeladener an der Feierlichkeit teilnehmen zu dürfen, wusste ich nicht. Sicherlich würde Chaldenbergen trotz aller Gemeinheit, die ich ihm zubilligte, keinen Skandal verursachen und mich von seinen Dienstboten zum Fenster hinauswerfen lassen; ebenso sicher würde ich aber keinen Schritt in seinem Haus tun können, ohne von einem Dutzend Augen überwacht zu werden, wenn ich nur als Peter Bernward bei ihm vorsprach.
    Das Knarzen der Stufen schien ein Signal gewesen zu sein. Ein junger Mann in einfachen Gewändern tauchte am oberen Ende der Treppe auf. Er trug ein Tuch über einem Arm und eine Schüssel mit heißem Wasser in beiden Händen. Er lächelte mich an und hielt mir die Schüssel entgegen. Ich wusch mir ausgiebig die Hände, bevor ich sie mit dem dargebotenen Tuch trocknete. Als er mich nach meinem Namen fragte, holte ich tief Atem und sagte: »Ich bin der Abgesandte von Ser Genovese.«
    Er wich zurück, riss die Augen auf und machte eine Verbeugung. Dann stellte er die Schüssel hastig auf den Boden und verschwand durch eine Tür, die er rasch hinter sich zuzog. Als sie sich wieder öffnete, stand ich dem Hausherrn gegenüber. Chaldenbergens Blick fiel auf mich, und sein eifriges Gesicht nahm einen verblüfften Ausdruck an. Er wandte sich zu seinem Dienstboten, als wollte er ihn dafür rügen, ihm eine falsche Botschaft überbracht zu haben, dann besann er sich jedoch und setzte ein Lächeln auf.
    »Mein Diener hier sagte mir, der Abgesandte des genuesischen Botschafters sei angekommen. Sind Sie …?«
    »Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie es nicht erwähnten. Mein Auftraggeber liebt es, zum derzeitigen Moment im Hintergrund zu bleiben.«
    »Aber ich … aber … natürlich, das ist ja selbstverständlich. Also … verzeihen Sie, dass ich so überrascht bin …«
    »Worüber denn?«, fragte ich mit falscher Freundlichkeit.
    »Dass Sie der Abgesandte … dass Sie in seinem Auftrag … das hätte ich nicht gedacht, als ich Sie zuvor getroffen habe …«, plötzlich leuchtete sein Gesicht auf, und er begann zu lächeln, »… in diesem Waisenhaus. Und Sie sind noch nicht einmal Genueser!«
    »Mein Herr sucht sich seine Beauftragten nach der Wichtigkeit der Dinge, die er erledigen will.«
    »Mit dem Fondaco, was? Na, es wird ein bisschen zu weltfremd geführt, wenn Sie mich verstehen, aber man kann dort durchaus die richtigen Leute treffen.«
    »Sie werden bald

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