Die schwarzen Wasser von San Marco
nickten mir zu. Dann betrat ich die Brücke und bereitete mich innerlich auf meinen Auftritt in der Zunftniederlassung der deutschen Kaufleute in der Lagunenstadt vor.
Wie bei den Wohnhäusern der reichen Patrizier hatte auch der deutsche Handelshof einen großzügigen Eingang zum Wasser hin. Die Boote wimmelten dort kaum weniger dicht durcheinander als vor dem Fischmarkt. Ich überquerte die Rialto-Brücke, wandte mich nach links und balancierte über die kleinen hölzernen Landungsstege vor der Fassade des Fondaco, bis ich im Haupteingang stand. Um mich herum gaben ankommende Händler ihren Trägern Anweisungen oder schleiften die zum Schutz gegen das Wasser in gewachste Tücher eingeschlagenen Ballen mit ihren Waren eigenhändig nach drinnen. Teuer gekleidete Botschafter reckten sich und gaben sich wie die Vertreter ganzer Herzogtümer. Der Eingang war wie der Torbau einer Festung, tief und dunkel und voller Männer, die jeden Ankommenden in Empfang nahmen, bevor er auf eigene Faust in den Innenhof des Gebäudes eindringen konnte. Auch auf mich bewegte sich einer zu.
»Was kann ich für Sie tun?«, fragte er freundlich.
»Ich benötige nur eine Auskunft.«
Er zog die Augenbrauen hoch. »Das ist nicht üblich.«
»Ich möchte einen Mann namens Heinrich Chaldenbergen sprechen; er stammt aus Lübeck und ist hier im Fondaco angemeldet.«
»Weiß er, dass Sie kommen?«
»Nein.«
»Dann kann ich Ihnen leider nicht helfen.«
»Erklären Sie mir einfach, wo ich sein Logis finde, dann helfe ich mir selbst.«
»Das ist mir nicht gestattet.«
»Dann schicken Sie jemanden zu ihm. Er kennt mich von Enrico Dandolo, einem hiesigen Kaufmann. Lassen Sie ihm das ausrichten.«
»Tut mir Leid, dafür ist im Moment keine Zeit. Wir haben alle Hände voll zu tun.« Er machte eine ungewisse Geste über seine Umgebung hinweg.
»Meine Güte, dann lassen Sie mich selbst gehen. Er wird bestimmt nichts dagegen haben.«
»Ich bedauere.« Er sah sich bereits nach jemandem unter den Ankömmlingen um, der eine lösbare Aufgabe darstellte.
»Ich denke, für einen Mitarbeiter des Fondaco dei Tedeschi gibt es sogar für dieses schwierige Problem eine Lösung«, sagte ich schlau. Er musterte mich von oben bis unten, und ich erkannte, dass ich ins falsche Horn gestoßen hatte. Ihm wurde bewusst, dass er als Mitarbeiter des mächtigen Handelshofes tatsächlich eine Lösung für das Problem parat hatte, das ich darstellte: Er konnte mich schlicht und ergreifend hinauswerfen lassen.
»Sind Sie als Kaufmann beim Fondaco angemeldet?«, fragte er.
Ich gab mich geschlagen. »Nein.«
»Dann entschuldigen Sie mich bitte.« Er wandte sich ab und sprach einen Mann mit einem breiten, turbanähnlichen Hut an, von dessen einer Seite eine gezaddelte Fahne auf seine Schulter herunterhing und sich wie die Kette eines Amtsträgers über seine Brust auf die andere Schulter hinüberwand. Ich kannte meine Landsleute zu gut, um zu hoffen, dass ich an dieser Stelle weitere Unterstützung finden würde. Vor allem kannte ich diesen Ton eisiger Höflichkeit, der noch unverschämter war als eine grobe Beleidigung. Ich ohrfeigte mich in Gedanken für mein plumpes Vorgehen und schlängelte mich durch ankommende Männer und abgeladene Gepäckstücke wieder hinaus.
Ich stieg über die Landungsstege zurück und marschierte in eine kleine Gasse hinein, die an der Südflanke des Fondaco vorbeiführte. Sie mündete in eine breitere calle , die nach Norden lief. Hier war sozusagen der Hintereingang zum Fondaco dei Tedeschi, und wenn das Gedränge vorn am Wasser hauptsächlich von Repräsentanten der Zünfte, Kaufleuten und deren kostbarer Handelsware verursacht worden war, dann waren es hier Transportkarren und Lasttiere, die die Dinge ins Fondaco schafften, die es zum täglichen Leben brauchte: Heu und Stroh für die Ställe, Getränke und eingelegte Lebensmittel in Fässern, Öl, Gewürze und Holz. Ich mischte mich unter die Lieferanten und betrat den weiten Innenhof.
Durch den gegenüberliegenden Haupteingang schimmerte das von den unzähligen Rudern aufgewühlte Wasser des Kanals im Licht des späten Vormittags. Bedienstete des Handelshofes dirigierten die ankommenden Handelswaren und wiesen Stapelplätze aus, nahmen Besucher in Empfang und baten sie zu warten oder ließen sie in den ersten Stock passieren. Ich sah meinen unwilligen Mitarbeiter und den Mann mit dem Zaddelhut ins Gespräch vertieft. Letzterer erhielt eine Einweisung in die Örtlichkeit. Das war
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