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Die schwarzen Wasser von San Marco

Die schwarzen Wasser von San Marco

Titel: Die schwarzen Wasser von San Marco Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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Glück mit den Mädchen, die aus der Hand der Piraten befreit wurden, habe ich Recht?«, fragte ich Rara, als ich ihr wieder gegenübersaß. Diesmal befanden wir uns allein in ihrem ärmlichen Saal. Die Mädchen waren nicht an der Tür gewesen, und die Hausarbeiten lagen unberührt auf den Truhen, auf denen sie gestern gesessen hatten. Das Haus war so still, als ob außer Rara und mir niemand da gewesen wäre. Rara sprach mit leiser Stimme, und auch ich dämpfte meine Lautstärke. Wie es schien, herrschte im Haus der Rara de Jadra zurzeit Mittagsruhe. Rara dachte eine Weile nach.
    »Nein, der Kommandant der Aquila wollte sie nicht verkaufen«, sagte sie dann. »Scheinbar haben ihm die ehrbaren Bürger dieser Stadt ihren Dank in so harter Münze gezollt, dass er auf das Geld nicht mehr angewiesen war.«
    »Warum haben Sie die beiden Muslime nicht freigekauft?«
    Rara sah mich an. »Sie wissen gut darüber Bescheid, was gestern vor sich gegangen ist.« Sie lächelte. »Ich hatte aus Ihren Worten geschlossen, dass Sie dem Verkauf von Menschen nicht beiwohnen wollten. Waren Sie doch noch im Zelt des provveditore , ohne dass ich Sie gesehen hätte?«
    Ich schüttelte den Kopf. »Nur, was man so hört.«
    Sie nickte und lächelte hintergründig, eine Reaktion, die ich nicht einschätzen konnte.
    »Wäre es möglich, dass ich nochmals mit Caterina spreche?«
    »Wozu das denn? Wenn sie etwas von ihrem Bruder gehört hätte, wäre sie sicherlich auf mich zugekommen.«
    »Nun, es ist so, dass ich etwas von ihrem Bruder gehört habe.«
    »Tatsächlich?«
    »Er ist immer noch sehr misstrauisch, aber wenn ich ihm ein wenig Geld zukommen lasse, taut er vielleicht auf.«
    »Caterina soll die Botin sein?«
    »So dachte ich es mir.«
    »Sie sind sehr hartnäckig, was den Jungen angeht. Jeder andere hätte ihn längst vergessen.«
    »Wenn man etwas als Christenpflicht erkannt hat, soll man nicht davon abweichen.«
    »Ich kann Ihnen nicht helfen. Caterina ist nicht mehr hier.«
    Ich starrte sie ungläubig an.
    »Ein gottesfürchtiger Mann hat sie in seinen Haushalt aufgenommen. Er hat sie erst zweimal gesehen, aber war so angetan von ihrer scheuen Art, dass er sogar erwägt, sie wie sein eigenes Kind anzunehmen.«
    »Das ist … ich fasse es nicht. Das Mädchen hat unglaubliches Glück.«
    »Gott lenkt alles zum Besten.«
    »Können Sie mir den Namen des Mannes sagen, der Caterina aufgenommen hat?«
    »Natürlich nicht.«
    »Es wäre sehr hilfreich für mich und mein Gelübde, ihrem Bruder zu helfen.«
    »Ich werde Ihnen den Namen nicht mitteilen. Abgesehen davon hätte es keinen Sinn. Er wird in wenigen Tagen in seine Heimat zurückkehren und das Mädchen mitnehmen.«
    »Schade. Ihre Diskretion verhindert eine gute Tat.«
    Rara nickte erneut. »Wissen Sie«, sagte sie fast träumerisch, »die Verkaufsverhandlungen für die armen Seelen, die die Aquila aus den Händen der Piraten befreit hatte, waren seltsam. Der provveditore bot natürlich zuerst die kleinen Jungen an, damit das Geschäft anlief. Die guten Mönche des Humiliatenklosters von Madonna dell’Orto hatten ihren Kämmerer geschickt, und der überredete den provveditore schließlich, die Jungen dem Kloster zu übergeben – so als wären sie Waisen, die man in die Obhut der Mönche gibt: pueri oblati , dargebrachte Knaben. Er versprach, den provveditore dafür das ganze folgende Jahr in die Gebete einzuschließen.«
    »Ich kenne die Regelung so, dass man dem Kloster Geld gibt, damit es die Knaben nimmt.«
    Rara ging nicht auf meinen Einwand ein. Sie sah mir mit ihrem immer noch merkwürdigen Lächeln geradewegs ins Gesicht. »Das Ganze war für die paar Zuschauer, die außer den Kaufinteressenten gekommen waren, eher langweilig, und die meisten verließen das Zelt. Als die zwei Muslimweiber an die Reihe kamen, wurde es noch langweiliger. Niemand wollte sie haben. Alle warteten darauf, welche Preisvorstellungen der provveditore für die beiden Mädchen haben würde. Als er endlich damit herausrückte, dass sie nicht zum Verkauf standen, waren nur noch ein paar bekannte Sklavenhändler und ich in seinem Zelt. Er hatte es natürlich ganz geschickt gemacht – wenn er es gleich zu Anfang zugegeben hätte, wäre niemand gekommen. Er hat die beiden Muslime zwar trotzdem nicht verkauft, aber so hatte er wenigstens eine Chance, dass der eine oder andere sie erstand, weil er den Aufwand nicht umsonst auf sich genommen haben wollte.«
    »Der Wert eines Menschen kann also auch auf

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