Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Schweigende Welt Des Nicholas Quinn

Die Schweigende Welt Des Nicholas Quinn

Titel: Die Schweigende Welt Des Nicholas Quinn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Dexter
Vom Netzwerk:
erst habe ich geschwindelt, aber –«
    »Und jetzt schwindeln Sie schon wieder. Und wenn Sie nicht aufpassen, wandern Sie in eine Zelle, bis Sie mir die Wahrheit sagen.«
    »Aber ich schwindele nicht, wirklich.« Er schüttelte unglücklich den Kopf. »Warum wollen Sie mir nicht glauben?«
    »Warum haben Sie gesagt, daß Sie den Nachmittag bei Miss Height verbracht haben?«
    »Ich weiß es nicht. Monica meinte –«
    Seine Stimme erstarb.
    »Ja, das hat sie mir erzählt.«
    »Ach ja?« Er schien plötzlich erleichtert.
    »Ja«, schwindelte Morse. »Aber wenn Sie es mir nicht selbst sagen wollen, können wir warten. Ich hab’s nicht eilig.«
    Martin starrte auf den Teppich. »Ich weiß nicht, warum sie nicht sagen wollte, daß wir im Kino waren, ehrlich nicht. Aber ich fand es nicht so wichtig, und da habe ich eben mitgespielt.«
    »Ist es nicht ein bißchen merkwürdig zu behaupten, man habe miteinander geschlafen, wenn man nur nebeneinander im Kino gesessen hat?«
    Martin nickte. »Aber es stimmt, Inspector, ehrlich. Wir waren bis etwa Viertel vor vier im Kino, das müssen Sie mir glauben. Ich hatte nichts mit Nicks Tod zu tun, wirklich nicht. Und Monica auch nicht. Wir waren den ganzen Nachmittag zusammen.«
    »Erzählen Sie mir was über den Film.«
    Martin gehorchte, und Morse wußte, daß er sich solche willkürlichen Obszönitäten, kaum hätte ausdenken können. Ja, Martin hatte den Film tatsächlich gesehen. Irgendwann jedenfalls. Nicht unbedingt an dem bewußten Freitag, nicht unbedingt mit Monica, aber …
    Martin wirkte durchaus überzeugend. Angenommen, er war an dem Freitagnachmittag tatsächlich im Kino gewesen. Mit Monica? Gut, warum nicht mit Monica. Er sitzt in der letzten Reihe Parkett, Monica kommt herein … Ja, Morse, weiter! Sie kommt also herein, und sie schauen sich den Film an. Wen hatten sie gesehen? Nein, setz ein bißchen früher ein. Wen hatte Martin beim Hereinkommen gesehen? Nein. Wen hatte Monica gesehen? Beim Hereinkommen? Oder? Ja, das war’s.
    Zäumen wir die Sache mal andersherum auf. Angenommen, Ogleby hatte gegen Viertel vor fünf das Kino betreten. Aber er mußte von Quinns Kinokarte gewußt, er mußte sie gesehen haben. Wann? Wo? Warum hatte er diese Kinokarte so sorgsam abgezeichnet? Ogleby mußte gewußt – oder zumindest vermutet – haben, daß der Kinokarte ausschlaggebende Bedeutung zukam. Angenommen, Monica und Martin hatten den Film zusammen gesehen. Aber war Quinn hingegangen? Oder hatte es nur jemand darauf angelegt, daß es so aussah, als sei er hingegangen? Wer? Wer wußte von der Kinokarte? Wer hatte sie gezeichnet? Wo hatte er sie gefunden, Morse? Herrgott, ja, was war er für ein Trottel gewesen.
    Martin schwieg schon seit etlichen Minuten und sah den heiter lächelnden Mann in dem schwarzen Ledersessel verwundert an. Wie immer war Morse die Erleuchtung von einem Augenblick zum anderen gekommen. Ja, während er dort saß und die Welt um sich her vergessen hatte, meinte Morse zu wissen, wann Nicholas Quinn zu Tode gekommen war.

Wie?
     

22
     
    Am frühen Samstagabend gab Nigel Denniston sich einen Ruck und machte sich an die Arbeit. Der größte Teil der Prüfungsblätter, Fach Englisch, war inzwischen da, und wie immer fing er damit an, daß er die großen gelben Umschläge alphabetisch ordnete und mit seiner Liste verglich. Die Prüferkonferenz sollte in zwei Tagen stattfinden, und bis dahin mußte er etwa zwanzig Arbeiten durchsehen, sie provisorisch mit Bleistift benoten und sie dem Prüfungsleiter vorlegen, der nach der Plenarsitzung mit allen Mitgliedern noch getrennt sprechen würde. Al-jamara war die erste Schule in seiner Aufstellung. Er schlitzte den fest verschlossenen Umschlag auf und nahm den Inhalt heraus. Obenauf lag die Anwesenheitsliste, und Denniston sah automatisch und voller Hoffnung auf die Sparte »Abwesende«. Es freute ihn immer, wenn ein oder zwei Kandidaten mit irgendeiner orientalischen Krankheit geschlagen worden waren. Doch bei Al-jamara erlebte er eine Enttäuschung. Laut Anwesenheitsliste hatten sich fünf Prüflinge angemeldet, und alle fünf waren ordnungsgemäß erschienen. Aber noch war nicht alles verloren, noch bestand die Hoffnung, daß der eine oder andere liebreizende Knabe darunter war, der nichts gedacht und nichts geschrieben hatte, bei dem der Quell der Inspiration nach zwei mühsamen Sätzen aufgehört hatte zu sprudeln. Aber auch diese Hoffnung zerschlug sich, keiner der fünf Prüflinge hatte vorzeitig das

Weitere Kostenlose Bücher