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Die Schweigende Welt Des Nicholas Quinn

Die Schweigende Welt Des Nicholas Quinn

Titel: Die Schweigende Welt Des Nicholas Quinn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Dexter
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Weswegen?«
    »Es wird mir schon was einfallen.«
    Stumpfe Augen waren halb ängstlich, halb ratlos auf Morse gerichtet. »Das kann nicht Ihr Ernst sein.«
    »Natürlich nicht.« Er beugte sich vor und öffnete die Beifahrertür des Lancia. Mißgelaunt brachte Donald Martin seine langen Beine im Wageninneren unter.
    Es herrschte starker Verkehr, und Morse beschloß, rechts abzubiegen und die Querverbindung zur Woodstock Road zu nehmen. Während er wieder mal an einem Fußgängerübergang halten mußte, überlegte er, wie kurz der Weg von der Geschäftsstelle des Verbandes zum STUDIO 2 war. Er fuhr an und bremste erneut, als ein verspäteter Fußgänger, ein bärtiger junger Mann, über die Fahrbahn galoppierte. Er hatte es offenbar eilig und hatte Morse nicht erkannt, aber Morse wußte, wer es war, und er hatte plötzlich wieder Monicas letzte Worte im Ohr. Im Rückspiegel sah er, daß der Mann rasch auf der rechten Seite der Woodstock in Richtung Krankenhaus ging, und bog, die träge dahinrollende Autoschlange verfluchend, an der nächsten Ecke scharf ab. Er parkte im Halteverbot hinter dem Radcliffe, befahl Martin zu warten und hetzte wie ein Verrückter zur Unfallstation. Sie war noch da, saß noch immer, appetitlich anzusehen, im Bett, als er durch die Vorhänge spähte. Puh! Vom Zimmer der Stationsschwester aus rief er im Revier an, befahl Dickson unverzüglich ins Krankenhaus und legte schwer atmend auf.
    »Alles in Ordnung, Inspector?«
    »Ja, danke, Schwester. Aber passen Sie auf, ich möchte nicht, daß jemand mit Miss Height spricht oder sie besucht. Klar? Und wenn jemand versucht, zu ihr vorzudringen, möchte ich wissen, wer es ist. Einer meiner Leute ist in zehn Minuten hier.«
    Ungeduldig tigerte er auf dem Gang auf und ab und wartete auf Dickson. Wie der Pilger bei Bunyan machte auch er nur mühselige Fortschritte – hinauf auf den Berg der Schwierigkeiten und hinunter in das Tal der Hoffnungslosigkeit. Aber Richard Bartlett ließ sich nicht blicken. Vielleicht, dachte Morse, sehe ich Gespenster.
     

21
     
    Eine Dreiviertelstunde später – die Uhr im Büro stand auf halb drei – war Morses Irritation über den jungen Windbeutel fast in offene Abneigung umgeschlagen. Dieser Donald Martin war wirklich ein schlapper Typ. Er gab – wenn auch etwas widerstrebend – fast alles zu. Von Zeit zu Zeit war seine Beziehung zu Monica zu einer großen Leidenschaft geworden, dann hatten ihn die üblichen Gewissensbisse heimgesucht, und er hatte geschworen, jetzt endlich Schluß zu machen. Immer war die Initiative zu den Treffen von ihm ausgegangen. Aber wenn sie zusammen im Bett lagen (Morse zog die Verdunkelungsvorhänge vor seine Phantasie), wußte er, daß sie es genoß. Es war unglaublich, wie rückhaltlos sie sich der körperlichen Liebe hingeben konnte, er hatte so was noch nie erlebt. Aber wenn die Leidenschaft sich verausgabt hatte, verschanzte sie sich hinter Indifferenz, ja, Gefühllosigkeit. Sie hatte ihm nie vorgespielt, daß sie sich aus einem anderen Grund mit ihm eingelassen hatte, es ging ihr allein ums Körperliche. Von Liebe, von tieferer Zuneigung war nie die Rede gewesen. Seine Frau? Nein, die ahnte bestimmt nichts von seiner Untreue, auch wenn sie gespürt haben mußte, daß die sorglosen Wonnen der ersten Ehetage vorbei waren, vielleicht für immer.
    Ekelhaft, der Mann mit seinen langen, strähnigen Haaren, seiner Hornbrille, den langen, fast femininen Fingern. Morses Stimmung besserte sich auch nicht, als Martin wiederholte, was er Lewis bereits am vergangenen Abend erzählt hatte. Er hatte Glück gehabt und einen Parkplatz auf der Broad Street gefunden, dann war er in die King’s Arms gegangen, wo sich eine der Barfrauen wohl noch an ihn erinnern würde. Dann weiter zum White Horse, wo er niemanden kannte. Wieder eine Halbe. Dann zur Turl Bar. Die nächste Halbe. Nein, er ging nicht oft auf Sauftour, eigentlich ganz selten. Aber die letzten Tage waren wie ein Alptraum gewesen. Er schlief schlecht, mit Bier ging es ein bißchen besser. Aber warum ritt Morse ständig darauf herum? Er war nicht mal in Oglebys Nähe gewesen. Warum denn auch? Was, um Himmels willen, hatte er mit dem Mord an Ogleby zu schaffen? Er hatte ihn nicht sehr gut gekannt, ja, er bezweifelte, ob irgend jemand im Büro ihn gut gekannt hatte.
    Morse ging auf seine Fragen nicht ein. »Kommen wir noch einmal auf den bewußten Freitagnachmittag zurück.«
    »Nicht noch einmal. Ich habe Ihnen gesagt, wie es war. Schön,

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