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Die Schweigende Welt Des Nicholas Quinn

Die Schweigende Welt Des Nicholas Quinn

Titel: Die Schweigende Welt Des Nicholas Quinn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Dexter
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sich fremde Fingerabdrücke feststellen lassen. Natürlich stand es Morse frei, alles noch einmal zu überprüfen, aber er, Bell, habe den Eindruck, daß damit nicht viel gewonnen sei. Der Schlag, der Oglebys dünnen Schädel zerschmettert hatte, war mit erheblicher Wildheit geführt worden, hatte aber möglicherweise gar nicht einmal viel Kraft erfordert. Vermutlich war der Täter Rechtshänder gewesen, und der zentrale Aufschlagspunkt lag etwa 5 Zentimeter über dem Hinterhauptbein, ungefähr 2 Zentimeter rechts von dem parietalen Foramen. Die Wirkung des Schlages – »Geschenkt«, sagte Morse.
    »Na, dann nicht.«
    »Ist Miss Height noch –«
    »Sie können erst nach dem Mittagessen zu ihr. Anweisung des Arztes.«
    »Ist sie noch im Radcliffe?«
    »Ja. Und ich verspreche Ihnen, daß Sie als zweiter zu ihr dürfen.«
     
    Eine junge Schwester schob den Kopf durch die Vorhänge, die das Bett auf der Frauen-Unfallstation abschirmten. »Sie haben wieder Besuch.«
    Monica sah blaß und elend aus.
    Sie lehnte aufrecht in den Kissen, das weite Krankenhausnachthemd kaschierte die Konturen ihres schönen Körpers. »Erzählen Sie«, bat Morse.
    Ihre Stimme war leise, aber fest: »Viel zu erzählen gibt es da eigentlich nicht. Ich kam gegen halb neun, und da lag –«
    »Sie hatten einen Schlüssel?«
    Sie nickte. In ihren Augen stand jähe Trauer, und Morse ließ den Punkt auf sich beruhen. Ob Philip Ogleby Die Ny m phomanin besucht hatte, war fraglich – aber daß die Nymphomanin ihn besucht hatte, und zwar ziemlich regelmäßig, stand außer Frage.
    »Und da lag er …?«
    Sie nickte. »Ich dachte, er hätte einen Herzanfall gehabt oder so was. Im Grunde hatte ich gar keine Angst. Ich kniete mich hin und faßte ihn an der Schulter … und sein … sein Kopf … lag … lag fast im Kamin, und da sah ich das Blut …« Sie schüttelte den Kopf, als könne sie sich dadurch von dem schrecklichen Bild befreien. »Und dann waren meine Hände voll … voll Blut und … und Zeug … Ich wußte nicht, was ich machen sollte. Ich konnte nicht in diesem gräßlichen Zimmer bleiben. Ich wußte, daß ein Telefon drinstand, aber … aber ich bin aus dem Haus gegangen und habe die Polizei von der Telefonzelle aus verständigt. Mehr weiß ich nicht. Ich muß umgekippt sein, als ich aus der Zelle kam. Erst im Krankenwagen bin ich wieder zu mir gekommen.«
    »Warum waren Sie bei ihm?« (Die Frage mußte sein.)
    »Ich … ich hatte mit ihm noch gar nicht richtig über Nick sprechen können …« (Schon wieder geschwindelt)
    »Glauben Sie denn, daß er etwas über den Mord an Quinn wußte?«
    Sie lächelte traurig-resigniert. »Er war ein sehr kluger Mann, Inspector.«
    »Sonst haben Sie niemanden gesehen?«
    Wieder schüttelte sie den Kopf.
    »Ist es denkbar, daß sonst jemand … im Hause war?«
    »Ich weiß es nicht. Ich weiß es einfach nicht.«
    Sollte er ihr glauben? Sie hatte ihm schon so viele Lügen aufgetischt. Aber es mußte einen Grund für die Lügen geben. Wenn es ihm gelang, diesen Grund zu entdecken, war er schon ein großes Stück weiter. Am meisten machte ihm die Geschichte um STUDIO 2 zu schaffen. Warum hatten Monica und Donald Martin so ungeschickt geschwindelt? Und während er sich wieder einmal mit dem Problem herumschlug, festigte sich in ihm die Überzeugung, daß alle vier – Monica, Martin, Ogleby und Quinn – einen gemeinsamen Grund für den Kinobesuch am Freitag nachmittag gehabt haben mußten. Denn daß sich ihre Wege dort rein zufällig gekreuzt hatten, das mochte er einfach nicht glauben, auch wenn er sonst unwahrscheinliche Zufälle mit einer fast rührenden Leichtgläubigkeit zu schlucken pflegte. Irgend etwas mußte an diesem Nachmittag im STUDIO 2 geschehen sein. Aber was? Laß dir etwas einfallen, Morse. Quinn war schon früh hingegangen, kurz nach der Öffnung. Dann war Martin gekommen, hatte sich in die hinterste Reihe gesetzt und sich nervös umgeschaut. Hatte er Quinn gesehen? Hatte Quinn ihn gesehen? Im Kino herrschte üblicherweise Dämmerlicht, an das sich das Auge aber rasch gewöhnte. Und dann? Dann war Monica gekommen und hatte sich neben Martin gesetzt, und Martin hatte ihr erzählt, er habe Quinn gesehen. Was macht man in so einem Fall? Man steht auf und geht, und zwar auf der Stelle. Weiter, Morse. Hätte Martin Quinn gesehen, Quinn aber nicht ihn, wäre Martin sofort hinausgelaufen, hätte draußen auf Monica gewartet und ihr gesagt, sie müßten woanders hingehen. Aber wie paßte Ogleby

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