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Die Schweigende Welt Des Nicholas Quinn

Die Schweigende Welt Des Nicholas Quinn

Titel: Die Schweigende Welt Des Nicholas Quinn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Dexter
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konnte. Dabei war es eine Möglichkeit, mit der man immer hatte rechnen müssen, und er war auf alle Eventualitäten vorbereitet. Er ging an seinen Schreibtisch und holte seinen Paß heraus. Alles war in Ordnung. In dem Paß lag sein Ticket für den planmäßigen Flug nach Kairo am Mittag des nächsten Tages.
     

23
     
    Vor Pinewood Close Nummer 1 stand ein Wagen, als Frank Greenaway in die Straße einbog, aber er erkannte ihn nicht und kümmerte sich nicht weiter darum. Er konnte Joyce vollauf verstehen. Auch er riß sich nicht darum, wieder dort zu wohnen, und er würde nie verlangen, daß sie in der Wohnung allein blieb, während er auf Schicht war. Gewiß, sie hatte den Kleinen, ganz allein war sie also nicht, aber … Nein – er war ganz ihrer Meinung. Sie würden sich etwas anderes suchen, und vorläufig konnten sie bei seinen Eltern wohnen. Aber allzulange mochte er dort nicht bleiben. Wie hieß es doch so schön? Fische und Logierbesuch fangen nach drei Tagen an zu riechen … Ihre Habe konnten sie noch ein, zwei Wochen in der Pinewood Close stehenlassen, jetzt wollte er nur ein paar Sachen für Joyce holen, die morgen aus dem Krankenhaus kam. Die Polizei hatte nichts dagegen.
    Als er aus dem Wagen stieg, sah er, daß die Straßenlaterne repariert worden war, und das Haus, in dem er und Joyce gelebt hatten und in dem Quinn ermordet aufgefunden worden war, kam ihm fast wieder normal vor. Das Gartentor stand offen. Er ging zur Haustür und suchte an seinem Schlüsselbund nach dem richtigen Schlüssel. Auch die Garagentür stand offen, zwei Backsteine hielten sie fest. Frank machte leise die Haustür auf. Er war kein ängstlicher Mensch, aber unwillkürlich fröstelte er leicht, als er in die dunkle Diele trat. Er würde sich beeilen, allzu verlockend war die Vorstellung nicht, mutterseelenallein im Haus zu sein. Als er die Hand aufs Treppengeländer legte, sah er den schmalen Lichtstreifen unter der Küchentür. Die Polizei hatte wohl vergessen … Aber dann hörte er es ganz deutlich. Jemand war in der Küche, jemand ging leise darin herum … Der Dämon Angst packte ihn an der Schulter, und ohne bewußte Willensentscheidung fegte er Sekunden später über die Einfahrt zu seinem Wagen.
    Morse hörte die Haustür klappen und schaute in die Diele hinaus. Nichts zu sehen. Da hatte er sich wohl wieder mal was eingebildet. Er ging zurück in die Küche und schaute sich an der Hintertür um. Es war so, wie er vermutet hatte. In den anderen Räumen im Erdgeschoß war kein Schmutz, sie waren ja auch erst eine Stunde vor Quinns geplanter Rückkehr gesaugt worden. Aber an der Hintertür waren Erdspuren, und Morse erkannte, daß jemand die Schuhe ausgezogen und neben den Fußabstreifer gestellt hatte. Seine Schritte knirschten auf dem körnig angetrockneten Schmutz, als trampele er auf Cornflakes herum.
    Er verließ das Haus und stieg in seinen Lancia. Doch dann mußte er noch einmal heraus, um die Garagentür und das Gartentor hinter sich zuzumachen.
    Zehn Minuten später hielt er vor dem dunklen Haus in der Walton Street, wo ein Constable vor der Tür Wache schob.
    »Hat jemand versucht, ins Haus zu kommen, Constable?«
    »Nein, Sir. Ein paar Neugierige drücken sich immer herum, aber drin war niemand.«
    »Gut. Ich brauche nur zehn Minuten.«
    Oglebys Schlafzimmer wirkte verlassen und kahl. Keine Bilder an den Wänden, keine Bücher am Bett, kein Zierat auf dem Ankleidetisch, keine sichtbaren Anzeichen einer Raumheizung. Das große Doppelbett nahm fast den ganzen verfügbaren Raum ein. Morse schlug die Decke zurück. Nebeneinander lagen da zwei Kopfkissen, unter der Bettdecke lag ein hellgelber Pyjama. Morse griff nach dem nächstgelegenen Kopfkissen und fand darunter ein ordentlich gefaltetes Nachthemd. Schwarz, dünn, fast durchsichtig, Firmenzeichen »St. Michael«.
    Noch niemand hatte sich die Mühe gemacht, im Nebenzimmer zu putzen, und das Feuer, das gestern abend lustig geflackert hatte, war jetzt nur kalte feine Asche im Kamin, in die irgendwelche Polizisten die Kippen ihrer Filterzigaretten geschnippt hatten. Es sah fast obszön aus. Morse musterte die Bücher in den hohen Regalen rechts und links vom Kamin. Es waren hauptsächlich Fachbücher über Oglebys Spezialgebiete. Morse interessierte nur eins: Medizinische Juri s prudenz und Toxikologie, von Glaister und Rentoul. Ein alter Bekannter. Ein gefalteter Zettel ragte daraus hervor, und Morse schlug das Buch an der gekennzeichneten Seite auf. Seite 566.

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