Die Schwester der Nonne
ihnen den Mund zu. Ernst und Albrecht wehrten sich nicht. In Todesangst starrten sie die unheimlichen Männer an.
Ritter Kunz ließ ein Schreiben für den Kurfürsten zurück, der wissen sollte, wer ihm die Söhne geraubt hatte.
Die schwarzen Gesellen packten die Jungen und schleppten sie zu dem offenen Fenster, durch das sie eingedrungen waren. Entsetzt starrte Ernst in den schwarzen Abgrund. Ritter Kunz kletterte vor und zog den Jungen mit sich.
»Wenn du schreist, lasse ich dich fallen«, raunte er dem Prinzen zu. Vor Angst schlotternd, krallte sich Ernst an seinem Entführer fest. Oben schob derweil von Mosen den Albrecht durchs Fenster. An der schwankenden Leiter hangelten sich die drei mit ihrer kostbaren Last nach unten, wo im Gebüsch weitere Männer mit Pferden warteten.
»Wir nehmen nicht die Straße«, befahl der Ritter seinen Leuten. Der Raub war bereits entdeckt worden. Überall im Land läuteten die Sturmglocken. Sie wollten versuchen, die Kontrollen der Soldaten zu umgehen.
»Ich kenne geheime Wege. Sie werden uns nicht finden.«
Diese Umwege kosteten die Entführer Zeit. Reitende Boten verbreiteten die Kunde vom Raub der Prinzen im ganzen Land, und so eilten die Nachrichten den Entführern voraus.
»Ich kann nicht mehr reiten«, klagte Albrecht.
»Halt den Mund, du Rotznase«, fuhr ihn Wilhelm von Mosen an. »Benimm dich wie ein Prinz.«
»Aber ich muss mal«, wimmerte der Junge.
»Wenn Ihr Männer von Ehre wäret, würdet Ihr nicht so schändlich handeln«, begehrte Ernst auf. »Wir brauchen eine Rast.«
»Das ist kein Jagdausflug, du Scheißer«, herrschte ihn der Ritter an. »Haben die Hoheiten noch irgendwelche Wünsche?«
Ernst hielt es für klüger zu schweigen. Er wollte seine Entführer nicht reizen. Wer weiß, vielleicht rächten sie sich an Albrecht, der vor Entkräftung beinahe vom Pferd fiel. Ernst wünschte sich ein Schwert, um die Räuber in die Flucht zu schlagen. Stattdessen musste er ohnmächtig ertragen, wie die wilde Hatz von Altenburg durch die Wälder bis Stollberg ging.
»Bitte, Herr, lasst uns rasten, mein Bruder hält das nicht durch.« Ernst nahm seinen ganzen Mut zusammen, als er Albrechts weinerliches Gesicht sah. Der Kleine tat ihm schrecklich Leid, und er wollte ihm gern helfen. Die finsteren Gestalten, die sie bewachten, ließen es jedoch nicht zu.
Kurz hinter Stollberg geschah es. Bereits in Sichtweite folgten ihnen die Häscher des Kurfürsten.
»Verdammt, wir sind zu langsam«, stöhnte Wilhelm von Mosen.
»Wir trennen uns«, rief Kunz von Kaufungen. »Nehmt den Großen, ich den anderen. So können wir schneller reiten. Einer genügt auch, um den Kurfürsten gefügig zu machen. In Böhmen treffen wir uns.«
Er packte Albrecht und sprengte mit ihm davon. Mit vor Entsetzen weit aufgerissenen Augen starrte Ernst seinem Bruder nach.
»Was tut Ihr da? Lasst Albrecht hier.«
Die Räuber kannten kein Erbarmen. Ungeduldig zerrten sie an den Zügeln und trieben die Pferde in eine andere Richtung. Zwischen Ernst und Albrecht lag ein riesiger dunkler Wald.
Ritter Kunz hatte den schlechteren Griff getan, als er sich den Jüngeren der beiden Prinzen schnappte. Der jammerte und wehklagte unentwegt, so dass sein Entführer alsbald die Nerven verlor. »Halt endlich den Mund! Sobald wir in Sicherheit sind, rasten wir.«
Es dauerte jedoch noch eine ganze Weile, bis Kunz sicher war, die Verfolger abgeschüttelt zu haben.
Der Wald, der sich zwischen Sachsen und Böhmen erstreckte, war dunkel und unheimlich. Nicht einmal in den Märchen seiner Amme hatte Albrecht von so einem Wald gehört. Hier hausten Bären und Wölfe und Geister.
Der kleine Albrecht war mehr tot als lebendig, als die Gruppe um Ritter Kunz endlich an einer kleinen Quelle zwischen Grünhain und Waschleithe rastete. Böhmen war nicht mehr weit, und er hatte Erbarmen mit dem Prinzen. Schließlich wollte er ihn nicht umbringen.
Es war ein idyllisches Fleckchen mitten in der Wildnis, und der Junge atmete für kurze Zeit auf.
»Ich habe Hunger«, quengelte Albrecht.
»Lasst uns Wildbret jagen«, schlug einer der Begleiter des Ritters vor. »Auch wir haben Hunger.«
»Meinetwegen«, willigte Kunz ein. »Aber ich bleibe hier. Dieser Junge ist zu kostbar, um zwischen den Bäumen verloren zu gehen.« Er lehnte sich an einen Baumstamm und streckte seine schmerzenden Glieder, während Albrecht seine Füße in das kalte klare Wasser der Quelle hielt.
Verzweifelt schaute sich der Prinz um. Nur noch dieser
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