Die Schwester der Nonne
von Kaufungen mussten ihre Güter verkaufen und außer Landes gehen. Die Entführer ließ der plötzlich nicht mehr sanftmütige Kurfürst hinrichten. Der Küchenjunge Hans Schwabe wurde mit glühenden Zangen gefoltert und gevierteilt.
In dem Augenblick, als Hieronymus Preller vor dem Altar der Klosterkirche St. Thomas zu Leipzig der Bürgermeistertochter Elisabeth das Jawort gab, verlor in Freiberg der Ritter Konrad Kunz von Kaufungen seinen Kopf durch das Schwert des Henkers.
Der Bote, der die Begnadigung des Kurfürsten in der Tasche trug, stand derweil vor dem verschlossenen Stadttor.
Das Gelübde
Die Schreie gellten durch das ganze Haus. Nervös lief Hieronymus Preller auf dem Flur hin und her. Sein Mantel aus kostbarem Tuch mit schmalem Pelzbesatz am Rand wehte bei jeder seiner Kehrtwendungen. Schließlich prallte er mit einer rundlichen Frau zusammen, die im Laufschritt zwei Wassereimer herbeischleppte. Heißes Wasser schwappte auf seine Füße, und einen Augenblick lang blieb er erstarrt stehen.
»Ich sagte Euch doch, Herr, dass Ihr warten müsst. Es ist noch nicht so weit.«
»Das geht nun schon seit Stunden«, rief er erregt.
»Das ist eben so. Gott hat das Weib für das Vergnügen mit Schmerzen gestraft.«
Sie schob den Hausherrn unsanft beiseite und verschwand hinter der Tür. Von drinnen erklangen wieder gepresste Schreie.
Hieronymus hielt sich die Hände auf die Ohren. Für ihn waren diese Schreie ebenso unerträglich wie die Schmerzen, die seine Frau in diesen Stunden erdulden musste.
Er verwünschte sein Streben nach Kindern, das ihm über Jahre keine Ruhe gelassen hatte. Es war mittlerweile siebzehn Jahre her, dass er Elisabeth ehelichte, und fürwahr, er hatte sich in all den Jahren immer als ganzer Mann erwiesen.
Warum ihm das Glück eines Sohnes verwehrt blieb, wusste nur Gott.
Elisabeth war eine fromme Frau, die regelmäßig die Kirche besuchte und mildtätig zu den Armen war, was Hieronymus jedes Mal als Schlag in die Magengrube und Griff in den Geldsack empfand. Auch dem Kloster spendete seine Frau kräftig.
Benedictus sah es mit Wohlwollen. Ab und zu betete er auch um Prellers Nachwuchs zu Gott, wenn ihn Elisabeth dafür ordentlich entlohnt hatte.
»Warum bezahlst du den Propst dafür, dass wir Nachwuchs bekommen?«, beklagte sich Hieronymus bei ihr. »Ich bin derjenige, der dafür zu sorgen hat. Und mich brauchst du nicht zu bezahlen.«
»Und warum haben wir dann keine Kinder?«, fragte sie.
»Weiß der Teufel«, gab Hieronymus unwillig zurück. »Das liegt an der Frau. Statt in die Kirche zu rennen, könntest du bei mir liegen, und wir versuchen es noch einmal.«
»Es ist Sünde, es am helllichten Tag zu tun«, erwiderte Elisabeth ruhig. »Vielleicht straft mich Gott, dass ich es überhaupt tue.«
»Hat dir das der Mönch ins Ohr geflüstert? Diese Schwarzkittel leiden doch alle unter Entzug. Nein, meine Liebe, es ist Christenpflicht, in der Ehe Kinder zu bekommen. Also, erfülle du deine Pflicht, so wie ich meine regelmäßig erfülle.«
Alle Gebete des Propstes nützten nichts, und Elisabeth überlegte, ob sie dem Kloster wohl zu wenig Geld gespendet habe. Benedictus betete ohnehin nur halbherzig; war es ihm doch ziemlich gleichgültig, ob Elisabeth nun ein Kind gebar oder nicht.
Wenn es ein Knabe wäre, hätte Benedictus wohl Verwendung für ihn. Er liebte die hohen reinen Stimmen der Knaben und war darauf bedacht, neue Talente für den Chor zu werben, der in den Mauern des Thomasklosters probte.
Das war für Benedictus auch der einzige Grund, der die Existenz von Frauen rechtfertigte: Nur sie konnten Knaben gebären. Leider!
In den ersten Jahren seiner Ehe musste Hieronymus seine junge hübsche Frau leider viel allein lassen. Der Aufstieg des Handelshauses bedurfte seines persönlichen Einsatzes. Oftmals begleitete er die Transporte seiner Waren auf ihrem gefahrvollen Weg. Häufig reiste er nach Prag und Krakau zu Verhandlungen, suchte neue Geschäftspartner und Kunden, setzte sich für die Sicherung der Fernverbindungen ein. Indien, China, Arabien, Osmanien – das waren Begriffe, die wie Zauberworte klangen.
Seide, Brokat, Gewürze, edle Hölzer, Pelze, duftende Öle, Edelmetalle, selbst exotische Musikinstrumente oder Tiere fanden so den Weg in die Messestadt Leipzig und in Hieronymus Prellers Lagerhäuser. Damit mehrte er stetig seinen Reichtum.
Durch die reisenden Händler erfuhr er von wundersamen Dingen, die sich in der bekannten Welt ereigneten, und
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