Die Schwester der Nonne
manches sah er sogar mit eigenen Augen, wie den berühmten Sklavenmarkt in Florenz, die schwimmenden Paläste von Venedig und die Märkte von Bologna. Er hielt eine Uhr in den Händen, die die Zeit mit Hilfe von Zahnrädern statt mit Sand maß. Er schmückte sein Haus mit seltenen und wertvollen Dingen: mit Schnitzereien aus Elfenbein und dunklem afrikanischem Holz, mit Bildern, die mit feinsten Pinselstrichen auf zarter chinesischer Seide gemalt waren, Vasen aus weißem Porzellan, feiner als die Lilienblüten, die sie beherbergten, Teppichen aus dem Haar exotischer Ziegen geknüpft und mit paradiesischen Vögeln und indischen Götterfiguren verziert. Er scherte sich nicht um die Drohungen der Kirche mit den Qualen des Höllenfeuers, sondern kaufte sich ein Gemälde, auf dem lauter nackte Frauen in einer paradiesischen Landschaft schwebten und einem ebenso nackten wie ansehnlichen jungen Gott mit einem Efeukranz auf dem Haar huldigten. Dieses Bild hängte er an die Wand des großen Kaminzimmers, in dem sich auch die anderen Kostbarkeiten seiner Sammlung befanden.
Wahrscheinlich wussten nur sein Buchhalter Veit, der zu strengstem Schweigen verpflichtet war, und Hieronymus selbst, wie reich das Handelshaus Preller wirklich war. In den Steuerbüchern der Stadt indes stand der Kaufmann nicht an erster Stelle, kannte er doch Mittel, dies zu umgehen.
Nach wenigen Jahren harter Arbeit konnte er für seine Geschäfte genügend Leute anstellen, die ihm einen großen Teil der Arbeit abnahmen.
Seine Ehe mit Elisabeth hatte außerdem bewirkt, dass Hieronymus’ Ansehen in der Stadt auch gesellschaftlich stieg. Als Schwiegersohn des Bürgermeisters wurde er bald Ratsherr und bestimmte die Geschicke der Stadt mit.
Daneben wurden Hieronymus allerlei Ehrenämter angetragen. So wurde er als Handelsrichter berufen und als Gewandbeschauer. Er saß im Stadtrat und in der Gilde, hatte seinen Platz am Ratsstammtisch und gründete eine Niederlassung in Naumburg.
Hieronymus war stets gut gekleidet. Er zeigte den Bürgern der Stadt und seinen Geschäftspartnern seinen Reichtum gern und offen. Er leistete sich mehrere große Pferdegespanne und ließ sein Haus am Markt durch mehrere Anbauten erweitern. Zwar fiel dem Ausbau ein Viehstall und die Hälfte des Gartens zum Opfer, aber das konnte er verschmerzen. Gemüse kauften die Mägde fortan bei den Bauern, die es frisch von ihren Feldern brachten, und das Fleisch lieferte der Metzger ins Haus.
Dem Klerus waren umtriebige Geschäftemacher suspekt. Mit ihrer Geschäftigkeit und ihrem Erwerbssinn ließen die Kaufleute in dessen Augen die rechte Frömmigkeit vermissen. Lediglich die üppigen Spenden und Stiftungen der reichen Bürger mäßigten die Ausfälle des Propstes Benedictus gegen die Verehrung des Molochs Geld. Wie überall, so füllten sich auch die Schatztruhen der Leipziger Klöster durch die Gaben fleißiger Kaufleute.
Als Kaufmann gehörte Hieronymus ebenfalls zu den kühlen Rechnern. Auch wenn er als wahrer Christ die Finger von Bank- und Geldgeschäften lassen musste, konnte der Handel doch nicht ohne Geld und Sinn für die finanziellen Seiten betrieben werden.
Hieronymus machte sich wenig aus den Anfeindungen des Propstes, und auch dem Ablasshandel konnte er nichts abgewinnen. Er glaubte nicht an die Macht des Teufels und setzte auf die Güte Gottes, der ihn mit einem wachen Geist, guten Rechenkenntnissen und Verhandlungsgeschick ausgestattet hatte.
Die durch geschickte Aufgabenverteilung an seine Untergebenen gewonnene freie Zeit widmete er Kunst und Wissenschaft. Er spürte, dass etwas Neues in der Luft lag, etwas, das er nicht verpassen durfte.
Es brodelte unter der Oberfläche der Gesellschaft.
Es gab helle Geister, die sich nicht mehr mit der bekannten Ordnung als gottgegeben abfinden wollten.
Es war der Wissensdurst, der sie zu Suchenden machte. Neue Länder zu entdecken, neue Handelswege zu erkunden, neue Maschinen und Geräte zu erfinden, erstaunliche Kunstwerke zu erschaffen, das war das Ziel der nach Wissen Strebenden.
So fand etwa zu dieser Zeit ein Mann namens Johannes Gensfleisch eine Möglichkeit, Bücher mit beweglichen Lettern aus Metall zu drucken, anstatt sie mühsam mit der Hand zu schreiben. Kein Wunder, dass die schreibenden Mönche in den Klosterbibliotheken plötzlich Angst hatten, überflüssig zu werden. Sie sagten der unliebsamen Konkurrenz den Kampf an.
Hieronymus Preller jedoch schenkte seiner Frau zum Geburtstag eine dieser
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