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Die Schwester der Nonne

Titel: Die Schwester der Nonne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Hastings
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Beschlägen. Diesen öffnete Gundula mit dem Schlüssel.
    »So, da haben wir alles, was wir brauchen«, freute sie sich. »Tollkirsche und Fingerhut, getrockneten Saft vom Schlafmohn und stinkendes Bilsenkraut, dazu etwas Mäuseschwanz und Nachtigallenzunge, Krötenschleim und Kinderblut.«
    Sie stellte alle Zutaten auf den Tisch, holte eine Waage mit feiner Skalierung herbei und begann, winzige Mengen abzuwiegen und in einer Schale zu vermischen. Dann füllte sie alles in ein winziges Fläschchen.
    »Hier, verbirg es gut. Wenn deine Lüsternheit zu drängend wird, dann mische das Pulver mit etwas Wein und trinke es. Die Träume werden dir unvergesslich sein.«
    Maria verzog angewidert das Gesicht.
    »Nein, so etwas will ich nicht.«
    »Dann nehmen wir es gemeinsam. Du brauchst keine Angst zu haben. Komm, wir teilen uns einen Becher.«
    Gundula schüttete den Rest aus der Schale in einen Becher, goss etwas Wein dazu und verrührte alles sorgsam, dann nahm sie einen tiefen Schluck und hielt den Becher Maria hin. Diese zögerte. Dann nahm sie den Becher und trank ihn in einem Zug aus.
    Maria starrte Gundula an.
    »Gut«, erwiderte Gundula mit gurrender Stimme und nahm Maria den Becher ab. Hurtig räumte sie alles wieder weg, verschloss den Schrank und versteckte den Schlüssel.
    »Komm dort hinein«, forderte die Schwester Maria auf und öffnete eine kleine Seitentür, die zur Krankenstation führte. »Da kannst du in Ruhe träumen.«
    Maria verspürte einen seltsamen Taumel. Gundula sah plötzlich so anders aus. Ihr Gesicht verzog sich, ihre Augen wirkten viel größer. Und wie sie lachte!
    Maria fing an zu kichern. Der ganze Raum drehte sich um sie, und das war irgendwie lustig. Sie bewegte die Arme.
    »Huhu, ich kann fliegen. Und du siehst ganz bunt aus wie die Narren, die immer auf dem Marktplatz ihre derben Späße treiben.«
    »Bunt? Ich bin doch nicht bunt. Ich bin ein Hase, der über die Wiese hüpft.« Gundula sprang hin und her und ließ sich schließlich lachend auf ein Bett fallen.
    Auch Maria fiel auf ein Bett.
    »Hilfe, alles dreht sich, als wäre ich betrunken. Ich bin betrunken von dem Wasser. Der ganze Fluss ist voller Wein, und ich schwimme und schwimme …«
    Ihre Augen verdrehten sich, und sie blickte in die Bäume über sich, die sich mit ihren Zweigen über den Fluss beugten, sie streichelten. Auf einmal waren da Hände, männliche Hände, und sie war ein Fisch. Die Hände griffen nach ihr, sie zappelte, und Wassertropfen spritzten. Das Wasser strudelte, sie drehte sich mit dem Strudel im Kreis. Nein, da war ein Mann, der sie in den Armen hielt und sie im Kreis drehte. Und sie fühlte sich dabei so glücklich und frei. Sie warf den Kopf in den Nacken und lachte übermütig. Sonnenstrahlen blitzten durch das Laub der Bäume. Sie überlegte, woher sie das Gesicht kannte, das ebenso kurz erschien wie die Sonnenstrahlen. Bevor sie es erkennen konnte, verschwand es wieder. Sie lachte laut.
    »Ich bin ein Vogel. Nein, ich bin ein Fisch, ein Fisch, der fliegen kann.«
    Das Licht war grell und schmerzte in ihren Augen. Da waren wieder die Farben, ein Regenbogen, der schaukelte und schwang. Sie hörte Stimmen, Lachen, das Rauschen des Wassers. Oh ja, sie wusste, dass sie durch den Fluss glitt. Da war eine Stimme, tief, männlich, angenehm. Dieser Druck im Bauch, dieses Kribbeln in den Gliedmaßen, die Hitze zwischen ihren Schenkeln, das alles kam ihr bekannt vor. Sie fühlte eine bleierne Schwere, ihr Körper wurde träge. Da war ein anderer Körper, schlank, groß, muskulös. Und wieder dieses schöne Gefühl, das ihren Körper durchströmte. Sie wehrte sich nicht dagegen, sie nahm es an. Sie genoss es, sie ging darin auf, und sie konnte gar nicht genug bekommen. Es war schön, so schön …
    Am nächsten Morgen erwachte Maria, als die Sonne hoch am Himmel stand. Verwirrt blickte sie sich um. Sie befand sich in einer muffigen Kammer auf der Krankenstation. Wie kam sie hierher? Sie versuchte sich zu erinnern, doch es gelang ihr nicht so recht. In ihrem Kopf hämmerte es, und ihr war schrecklich übel.
    Unter ihr knarrte das kaputte Bett, auf dem sie wohl die Nacht verbracht hatte. Vage tauchten Erinnerungsfetzen auf. Ein Mann, Wasser, die düstere Apotheke … Gundula! War da nicht Gundula gewesen?
    Maria rappelte sich auf, richtete ihre Kleidung und tappte hinaus. Sicher würde sie schon vermisst werden. Die Prim war schon längst vorbei, der Kapitelsaal leer. Alle Schwestern befanden sich an ihrer

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