Die Schwester der Nonne
Bildern aller Todsünden, die von Frauen begangen worden waren und dafür in den Höllenkesseln des Teufels kochten.
Nein, Elisabeth wollte so gern in den Himmel kommen, rein wie ein Engel, mit einer Seele so leicht wie eine Daunenfeder. Sie betete am liebsten zu Mutter Maria, der Segensreichen, der Himmelskönigin, der allerliebsten Jungfrau, und beneidete diese darum, dass sie ihren Sohn in Keuschheit empfangen hatte. Elisabeth dachte angestrengt darüber nach, wie es die Menschen anstellen sollten, es Maria gleichzutun, aber es führte kein Weg am Bett ihres Ehemannes vorbei. Letztlich reichte es aus, hinterher Buße zu tun, ein paar Rosenkränze zu beten und dem Kloster eine Spende zukommen zu lassen, um sich von der Sünde der Lust freizukaufen.
Im Augenblick verteufelte Elisabeth die fleischliche Schwäche und schrie ihren Schmerz gegen die verrußte Decke der Kammer. Der Kamin war eingeheizt und verbreitete eine wohlige Wärme, doch der Schweiß floss ihr ohnehin in Strömen herunter. Sie rief in ihrer Verzweiflung immer wieder die schmerzensreiche Jungfrau Maria an, um die Geister des Bösen zu vertreiben, die in ihrem Leib tanzten und mit scharfen Messern darin herumfuhren.
Hieronymus lief rastlos durch das Haus und landete schließlich in der Küche. Überall war er den aufgeregt hin und her laufenden Frauen im Wege. Er jagte ein paar Hühner vom Tisch und ließ sich stöhnend auf der Bank nieder. Eigentlich nagte der Hunger in seinem Bauch, aber außer Wasser kochte nichts auf dem steinernen Herd. Längst hätte das Hauptmahl zubereitet sein müssen. Die Mägde und die Köchin hatten jedoch anderes zu tun.
Er beobachtete Walburga, die dralle Magd, wie sie sich bückte und ein blutiges Laken in einem Zuber auswusch. Walburga besaß ein ausladendes Hinterteil, das weiß wie Schnee war. Hieronymus wusste es deshalb so genau, weil er manchmal, wenn Elisabeth nicht in der Nähe war, ihr die Röcke hob. Ihr erschrockener Aufschrei war ebenso unecht wie das Amulett, das sie um den Hals trug, und meist ging die ganze Sache recht schnell vonstatten, so dass Hieronymus ihren Rock rasch wieder fallen ließ. Walburga schüttelte sich dann wie ein Huhn, wenn der Hahn von ihm herunter war, und jeder ging seiner Wege.
Im Moment allerdings überkam Hieronymus kein Verlangen, der Magd den Rock zu lüpfen. Sein Hungergefühl machte ihn missmutig. Er erhob sich und suchte in den Krügen nach Wein oder Bier, um den Hunger zu betäuben. Er fand verdünnten Wein und setzte den Krug an. Er hätte nicht übel Lust, das Haus einfach zu verlassen und eine Schänke zu besuchen. Aber dann dachte er an seine hübsche Elisabeth und konnte sich nicht dazu durchringen. Er liebte sie aufrichtig, und so musste er ihr Geschrei wie sie ihre Schmerzen ertragen, das war er ihr schuldig.
Er leerte den Krug und schaute sich um. Er war allein. Ein Geräusch von der hinteren Küchentür, die hinaus in den Hof führte, ließ seinen mittlerweile glasigen Blick dorthin wandern. Er blickte in die Augen des gefleckten Schweins, das als Festschmaus zur Geburt seines ersten Kindes geschlachtet werden sollte. Es grunzte und schaute Hieronymus aufmerksam an. An seiner Nase klebten noch die nassen Erdklumpen aus dem Garten, wo es den Boden nach etwas Fressbarem durchwühlt hatte.
»Glotz nicht so, bald hat es ein Ende mit dir! Dann füllst du meinen Magen, der knurrt wie ein Wolf. Ich werde gleich Vater, und dann bist du tot.« Er schaute sich wieder um und fand sich immer noch allein in der Küche. »Verdammt nochmal, kümmert sich den niemand um mich?«
Er knallte den Krug auf den Tisch, der zersprang. Irritiert blickte er auf den Henkel in seiner Hand. Walburga kam atemlos angelaufen.
»Herr, es ist vollbracht! Es sind Zwillinge.«
Eine geraume Weile blieb Hieronymus stumm und steif stehen. Dann ließ er den Henkel fallen. Das Schwein war verschwunden.
»Wieso Zwillinge?«, fragte er verdattert.
»Weil es zwei Kinder sind, zwei Mädchen.« Walburga fuhr herum und rannte wieder davon. Hieronymus rannte hinterher.
»Halt, halt«, rief er. »Wo kommt das zweite Kind her?« Ehe er die Tür zu Elisabeths Kammer öffnen konnte, wurde sie von innen aufgestoßen. Sie knallte ihm unsanft gegen die Stirn. Einen Moment lang wurde ihm schwarz vor Augen, dann sah er bunte Sterne tanzen. »Zum Henker, wer …«
»Flucht nicht so lästerlich«, rügte die Hebamme. »Eure Frau ist schwach. Es war eine schwere Geburt. Es sind zwei Kinder.«
»Wieso zwei?
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