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Die Schwester

Die Schwester

Titel: Die Schwester Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandor Marai
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– und solange ich ihr
zuhörte und diese magische menschliche Musik auf mich wirken ließ, wusste ich,
dass diese Vertraulichkeit ein Symptom war, ein nicht wenig charakteristisches
Symptom von E.s Krankheit, dass dies speziell eine Fähigkeit kalter, frigider Frauen ist, die nur versteckt, befreit, aus dem
Abstand und der Entfernung, ohne Körper und ohne Folgen ihre Zärtlichkeit geben
können – nur so und nur dann konnte E. ohne Angst und Zurückhaltung
leidenschaftlich sein. All das wusste ich und zuckte mit den Schultern; ich
schloss die Augen und hörte dieser Stimme zu, die Botschaften schickte,
flüsterte, gefühlvoll war, rätselhaft, heiß. Sie war so, weil sie fern war. »So
bist du eben«, dachte ich. »Gut. Bleib so oder anders, aber bleib.« Und ich bat
die Zentrale, noch nicht zu trennen. Aber die Zentrale drängelte schon. Es ist
genug, sagte Florenz mit vertraulicher Überheblichkeit. Und Athen: » Assez, cher Maître, genug für heute Abend.« Unsere
Beziehung, diese elektrische, luftige Beziehung, war öffentlich, sie fand über
Länder hinweg in der Nacht statt. Und natürlich wusste man nicht nur im Raum
über den Ländern davon, sondern auch im Krankenhaus.
    Wer hatte geplaudert? Die Zentrale des Krankenhauses? Der Unterarzt?
Der Professor, eine der Schwestern? Wer es auch war, im ganzen Krankenhaus, in
jedem Krankenzimmer wusste man um dieses nächtliche Stelldichein am Telefon.
Man wusste, dass der Bewohner von Zimmer fünf geheilt war, dass ihn aus Athen
eine donna anrief, eine vornehme Frau, sehr vornehm!
Und man wusste – Cherubina berichtete es mir am nächsten Tag –, dass ich vom
Krankenbett direkt nach Athen reisen würde, wo ich schon »sehr erwartet« würde.
Gut gelaunt sagte sie das, lachend. Was für eine Einbildung ich auch in den
Krisentagen der Krankheit von der Person gehabt haben mochte, die mir »Kraft«
und »Botschaft« sandte, jetzt musste mich dieses zustimmende, komplizenhafte,
gut gelaunte und einverständliche Lachen davon überzeugen, dass Cherubina in
diesen Monaten niemals auf andere Weise meine Helferin gewesen war als die
anderen, fachgerecht und mit gleichgültigem Mitgefühl, mit praktischem
Erbarmen. Aber was kümmerte mich jetzt noch Cherubina, was grübelte ich über
kränkliche Traumbilder und zwanghafte Wahnvorstellungen! Hinter allem stand E.
– so empfand ich es, als ich den Hörer müde und glücklich auf die Gabel hängte,
und wenn es ein Wunder gab, das mich zum Leben anspornte, konnte dieses Wunder
nichts anderes sein als E.s Wille, der mich aus dieser dunklen Grube ins Leben
zurückgerufen hatte.
    Ja, das Klatschvolk des Krankenhauses ahnte die Wahrheit richtig.
Ich würde reisen, in einigen Tagen, nach Athen, wie ich es mit E. und ihrem
Mann besprochen hatte, mit dem Flugzeug würde ich reisen, mit dem Linienflug
über Rom. Und von Athen aus würde ich direkt auf die Insel Korfu fahren, wo E.
am Berghang in einem windstillen Winkel ein Haus gemietet hatte. Alles strahlte
in wunderbarem Licht. Das Ende des Winters, E. und Korfu in der Ferne, die
verblassenden Ufer der Krankheit, von denen ich mit dem Flugzeug auf ein spät
aufgeleuchtetes, beglückendes, blendendes Licht zuflog. Mit dem Professor hatte
ich vereinbart, dass ich am Wochenende, am Sonnabendnachmittag, reisen würde.
Das Büro sorgte dafür, dass ich einen Platz im Flugzeug bekam. Schon diktierte
ich Briefe, verabschiedete mich von Angestellten, entfernten Bekannten, dankte
gleichsam für die herzliche, etwas übereilte Anteilnahme. Der Professor sah
dies alles mit zustimmendem Nicken.
    Â»Dann werde ich Sie nun zum Abschied untersuchen«, sagte er kurz,
als ich ihm von meinen Reiseplänen erzählte.
    Er ging ans Haustelefon und verlangte nach dem Unterarzt, Cherubina
und Dolorissa.
    Â»Aber ja, aber ja«, sagte er kurz, als antwortete er sich selbst,
und wusch sich die Hände, als bereitete er sich auf eine Operation vor. »Sie
reisen, natürlich reisen Sie. Mit dem Flugzeug werden Sie reisen«, sagte er und
beugte sich über den dampfenden Heißwasserhahn, um seine seifigen Hände lange
abzuspülen. »So sind die Kranken«, sagte er zum Wasserstrahl. »Sie jammern und
flehen, dann werden sie gesund, und schon fliegen sie fort, zurück ins Licht,
ins Licht. Gewiss, so sind sie.«
    So sprach er, so

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