Die Schwestern des Lichts - 3
verdienst. Und nicht einen weniger, als nötig war, um zu verhindern, daß diese Männer dich hinrichten.‹ Dann zwang sie mich, meinen Eid zu leisten. ›Bei meiner Hoffnung auf Errettung schwöre ich, niemals, aus welchem Grund auch immer, von meiner Gabe bei einem anderen Gebrauch zu machen, es sei denn mit Erlaubnis des Königs oder eines seiner Kreise, und sollte ich sie jemals dazu verwenden, einem anderen Schaden zuzufügen, dann verliere ich meine Seele an den Hüter.‹ Und dann scherte sie mir den Kopf kahl. Man ließ mich mit kahlem Kopf herumlaufen, bis ich eine erwachsene Frau war.«
»Kahl? Warum?«
»Weil in den Midlands, wie du weißt, die Länge des Haares einer Frau Auskunft über ihre gesellschaftliche Stellung gibt. Damit wollte man mir und allen anderen zeigen, daß es niemanden gab, der tiefer stand als ich. Ich hatte von meiner Gabe Gebrauch gemacht, in aller Öffentlichkeit, ohne Erlaubnis. Es war eine ständige Erinnerung an das Unrecht, das ich begangen hatte. Von da an lebte ich bei Großmutter Lindel. Meinen Vater und meine Mutter sah ich nur selten. Anfangs vermißte ich sie sehr. Großmutter Lindel brachte mir bei, wie man die Gabe benutzt, damit ich sie genau kennenlernte und genau wußte, was ich nicht tun durfte.
Ich mochte Großmutter Lindel nicht besonders. Sie war eine kalte Frau. Aber ich respektierte sie. In gewisser Weise war sie gerecht. Wenn sie mich bestrafte, und das tat sie oft, dann nur, weil ich gegen ihre Regeln verstoßen hatte. Sie peitschte mich aus, fest, aber nur wegen eines Vergehens, vor dem sie mich gewarnt hatte. Sie unterrichtete mich, wies mich im Gebrauch der Gabe an, aber freundlich war sie nie zu mir. Es war ein hartes Leben, doch lernte ich Disziplin. Am besten lernte ich den Gebrauch der Gabe. Dafür werde ich ihr immer dankbar sein, denn das war mein Leben. Die Gabe berührte etwas Höheres, etwas Edleres, als ich es darstellte.«
»Tut mir leid, Adie.« Er begann, seinen kalten Eintopf zu löffeln, weil er nicht wußte, was er sonst hätte tun sollen. Der Appetit war ihm vergangen.
Adie erhob sich von ihrem Stuhl, ging zur Feuerstelle und starrte eine Weile in die Flammen. Zedd wartete schweigend, bis sie die richtigen Worte fand.
»Nachdem ich das Alter einer erwachsenen Frau erreicht hatte, erlaubte man mir, die Haare wachsen zu lassen.« Sie lächelte zaghaft. »In diesem Alter, als mein Körper aufblühte, hielt man mich für eine attraktive Frau.«
Zedd schob seine Suppenschale fort, ging zu ihr und legte ihr seine Hand auf die Schulter. »Jetzt bist du nicht weniger attraktiv, meine Liebe.«
Sie legte ihre Hand auf seine, ohne den Blick von den Flammen abzuwenden. »Nach einer Weile verliebte ich mich in einen jungen Mann. Sein Name war Pell. Er war ein wenig unsicher, aber ein guter, anständiger Mann und mir gegenüber die Freundlichkeit selbst. Er hätte mir das Meer herbeigeschleppt, Löffel für Löffel, hätte er geglaubt, mir damit eine Freude zu machen. Ich dachte, die Sonne ging nur auf, um mir sein Gesicht zu zeigen, und der Mond schien, damit ich seine Lippen kosten konnte. Jeder Schlag meines Herzens galt ihm. Wir wollten heiraten. Der Kreis des Königs von Choora unter dem Vorsitz eines Mannes namens Mathrin Galliene hatte andere Pläne.«
Sie nahm ihre Hand fort und umfaßte den Knoten ihres Gewandes an ihrem Bauch. »Sie hatten beschlossen, daß ich einen Mann aus dem Nachbarort heiraten sollte, den Sohn des dortigen Bürgermeisters. Für die Menschen aus Choora war ich eine Art Prämie. Eine Magierin, die durch einen Eid mit ihrem Volk verbunden war, galt als Zeichen für die Tugend dieses Volkes. Mich einem wichtigen Mann aus einem größeren Ort zur Frau zu geben war Anlaß zu einiger Aufregung, Freude und Erwartung. Ich würde unsere Städte auf mannigfaltige Weise aneinanderbinden, nicht zuletzt durch umfangreichen Handel.
Ich geriet in Panik. Ich ging zu Großmutter Lindel und bat, ein Wort für mich einzulegen. Ich erzählte ihr von meiner Liebe zu Pell und daß ich nicht zu einer Gegenleistung für Tauschgeschäfte werden wollte. Ich erklärte, die Gabe gehöre mir und dürfe nicht dazu benutzt werden, mich zu versklaven. Eine Magierin dürfe keine Sklavin sein. Großmutter Lindel war Magierin. Ihre Gabe wurde verachtet, aber die Menschen respektierten sie, weil sie sich ihrem Schwur unterwarf – und sie hatten mehr als einen gesunden Respekt vor ihr –, sie hatten Angst. Ich flehte sie um Hilfe an.«
»Sie
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