Die Schwestern des Lichts - 3
unerklärliches Gefühl der Gefahr empfunden. Genau das gleiche empfand er jetzt.
Er hatte nicht den geringsten Zweifel, daß all dies ein Teil der Magie des Tales war und daß diese Magie endlich einen Eindringling entdeckt hatte. Ihn.
»Verna!« schrie er.
Sie warf ihm einen finsteren Blick zu. »Ich habe dir doch schon gesagt, Richard, ich werde mit Schwester Verna angesprochen…«
»Ist es das, was Ihr Euren Zöglingen antut? Sie mit Eurer Kraft verletzen?«
Sie wirkte überrascht. »Aber ich…«
»Ist das Euer ewiges Paradies? Ewiger Streit mit Menschen? Menschen weh zu tun?« Er ließ sich auf die Knie fallen und betrachtete die Gebilde, die sie umwehten. »Schwester, wir müssen hier raus.«
»Ich möchte bei Ihm bleiben. Ich habe meine Seligkeit gefunden.«
»Ist das hier Eure Vorstellung vom Paradies? Jemandem weh zu tun? Antwortet mir, Schwester Verna! Ist es das, was Euer Schöpfer von Euch will? Daß Ihr den Menschen weh tut, die Euch anvertraut werden?«
Sie sah ihn mit aufgerissenem Mund an. Plötzlich gewannen ihre Bewegungen an Schnelligkeit, und sie stürzte zu ihm. »Habe ich dir weh getan?« Sie packte ihn bei den Schultern. »Oh, Kind, das tut mir leid. Das habe ich nicht gewollt.«
Er kam wieder ganz auf die Beine und schüttelte sie. »Schwester, wir müssen hier raus! Ich weiß nicht, wie! Sagt mir, wie man hier rauskommt, bevor es zu spät ist!«
»Aber … ich will doch bleiben.«
»Seht Euch um, Schwester Verna! Was seht Ihr?«
Hölzern zuckte sie mit dem Kopf, blickte von einem dunklen Gebilde zum nächsten, dann wieder zu ihm. »Richard…«
Richard zeigte wütend in den Himmel. »Seht hin, Schwester! Das ist nicht der Schöpfer! Das ist der Hüter!«
Sie starrte in die angezeigte Richtung. Erschrocken schlug sie sich die Hand vor den Mund.
Der rote Schein in den Augen eines der dunklen, schwebenden Gebilde wurde greller, verwandelte sich in ein Glühen. Das Gefühl von Gefahr loderte durch die Tiefen seiner Seele. Im Nu hatte er das Schwert gezogen. Die flüchtigen Gespenstererscheinungen verhärteten sich zu festen Knochen und Muskeln, Krallen und Reißzähnen und verwandelten sich in eine mit dunkler, aufgesprungener, ledriger Haut bedeckte Bestie, die mit häßlichen, schwärenden Wunden übersät war. Sie stürzte sich mit entsetzlicher Geschwindigkeit auf ihn herab.
Das Schwert mit beiden Händen fest umklammert, ließ Richard seiner Wut mit einem Schrei freien Lauf und bohrte der Bestie das Schwert beim Angriff in die Brust. Weiches Fleisch und harte Knochen zischten beim Kontakt mit der Klinge. Das Ungeheuer glitt vom Schwert herab und klatschte wie ein Eimer feuchter Erde auf den Boden. Seine Haut war nicht imstande, den Inhalt festzuhalten. Ein Tropfen Blut spritzte auf Richards Arm, ätzte sich durch sein Hemd und fraß sich in sein Fleisch. Die Bestie brodelte und schäumte von innen heraus. Aus der schwärenden Wunde wimmelte Gewürm.
Schwester Verna starrte die blubbernde, rauchende Masse mit aufgerissenen Augen an. Richard packte sie bei ihren Locken und zwang sie, die Gebilde anzusehen, die immer näher rückten. »Ist das Eure Vorstellung vom Paradies? Seht hin! Seht sie Euch an!«
Er riß sie nach hinten, als das dunkle, wässrige Blut, das aus der Bestie herausquoll, sich entzündete und ein beißender, öligschwarzer Rauch kräuselnd aus den Flammen in die Höhe stieg. Dann fiel ihm ein, was sie ihm zuvor über das Zurückweichen in eine noch größere Gefahr erzählt hatte, und er blieb stehen. Er roch verbranntes Fleisch, und als er merkte, daß es sein eigenes war, spuckte er auf die schmerzende, rauchende Wunde, die das Blut der Bestie auf seinem Arm hinterlassen hatte.
Mit einem kurzen Blick in die Runde verschaffte er sich Übersicht. Hinten waren noch mehr dieser Gebilde. Ein weiteres materialisierte sich zu einer Bestie, diesmal mit gespaltenen Hufen und einer breiten Schnauze. Rasiermesserscharfe Eckzähne sprossen hervor und wuchsen sich zu langen, gebogenen Waffen aus.
Schnaubend griff die Bestie an. Richard hämmerte ihr sein Schwert auf den Schädel, als sie versuchte, ihn aufzuspießen. Die Bestie sackte kreischend in sich zusammen. Als der massige Körper auf dem Boden aufschlug, hatte er sich bereits in eine Masse wimmelnder Schlangen verwandelt. Beim Aufprall auf den Boden rollten und stürzten sie übereinander, das verflochtene Knäuel stob zappelnd auseinander. Hunderte roter Augen sahen zu ihm hoch. Rote Zungen leckten durch
Weitere Kostenlose Bücher