Die Schwestern des Lichts - 3
Gebilde um sie herumwehten, und wichen ihnen aus. Den Schlangen konnten sie aus dem Weg gehen, aber es war unmöglich, nicht auf die riesigen Käfer zu treten. Er wußte, daß es gefährlicher sein konnte, ziellos umherzulaufen, als stehenzubleiben, jetzt, da die Magie sie gefunden hatte. Trotzdem drängten ihn seine Füße immer weiter. Schließlich erreichten sie eine Stelle, die fürs erste frei von Schlangen und Käfern war.
»Die Zeit läuft uns davon. Spürt Ihr noch immer nichts? Könnt Ihr den Weg schon fühlen?«
»Nichts. Tut mir leid, Richard. Ich habe in meiner Pflicht versagt, den Schöpfer enttäuscht. Ich habe uns beide in den Tod geführt.«
»Noch nicht ganz.«
Richard pfiff die Pferde herbei. Sie kamen angetrabt, unbeachtet von den dunklen Gebilden. Bonnie rieb ihren Kopf an ihm, drückte ihn einen Schritt zurück. Schwester Verna nahm die Leine auf und wollte Jessup wegführen.
»Nein!« Richard sprang zu Bonnie. Er schlug zwei klickende Käfer von seinem Hosenbein. »Steigt auf. Rasch.«
Schwester Verna starrte ihn an. »Richard, wir können die Pferde nicht nehmen. Das sind nur dumme Tiere. Sie werden einen Schrecken bekommen und uns in ein magisches Unwetter tragen. Ohne die Kandaren können wir sie nicht kontrollieren.«
»Schwester, Ihr habt mir gesagt, Ihr hättet Die Abenteuer von Bonnie Day gelesen. Erinnert Ihr Euch noch daran, wie die drei Helden die Verletzten in Sicherheit bringen und sie an den Giftfluß kommen, den man nicht überqueren kann? Was haben sie da gesagt? Sie sagten, die Menschen sollten nur darauf vertrauen, daß man es schaffen kann. Bonnie, Geraldine und Jessup haben sie über den Fluß geführt. Habt Vertrauen, Schwester. Steigt auf. Beeilt Euch.«
»Du willst, daß ich etwas tue, was uns in den sicheren Tod führt, nur weil du irgendeine Torheit in einem Buch gelesen hast? Wir müssen zu Fuß gehen!«
Bonnie warf ihren Kopf zurück und tänzelte. Richard zog an den Zügeln, um sie still zu halten. »Ihr kennt den Weg nicht. Ich kenne den Weg nicht. Wenn wir hier bleiben, kommen wir um.«
»Was soll uns denn das Reiten nützen!« Sie mußte scharf an der Leine reißen, um Jessup ruhig zu halten. Bonnies Erregtheit hatte ihn aufgescheucht.
»Schwester, was haben die Pferde den ganzen Tag getan, wenn wir sie gelassen haben?«
»Sie haben gegrast – auf einer Weide, die nicht existiert. Sie haben Halluzinationen.«
»Wirklich? Wißt Ihr was? Angenommen, wir wären diejenigen, die Halluzinationen haben? Vielleicht sehen sie, was wirklich existiert. Und jetzt laßt uns losreiten.«
Die dunklen Gebilde waren näher gekommen, ihre Augen erglühten in einem helleren Rot. Schwester Verna warf einen Blick darauf, dann zog sie sich in den Sattel. »Aber -«
»Habt ein wenig Vertrauen, Schwester.« Bonnie tänzelte zur Seite, wollte fort. »Ich habe versprochen, Euch zu retten, und genau das habe ich vor. Ich übernehme die Führung. Bleibt nicht zurück.«
Richard trat seinem Pferd hart in die Flanken. Das Tier machte einen Satz nach vorn und fiel in äußersten Galopp. Die beiden anderen Pferde setzten hinterher und folgten. Er beugte sich nach vorn über Bonnies Widerrist, als sich die Stute im Galopp streckte. Er ließ die Zügel schießen, ohne ihr im geringsten den Weg vorzugeben. Er hielt den Blick auf ihre Ohren gerichtet, statt auf das, was vor ihm lag – er wollte sie nicht beeinflussen.
»Richard!« schrie Schwester Verna von hinten. »Im Namen des Schöpfers, paß auf, wohin du reitest. Siehst du nicht, wohin du das Pferd lenkst!«
»Ich lenke es nirgendwohin«, rief er über das Geräusch der donnernden Hufe hinweg. »Es sucht sich seinen eigenen Weg.«
Die Schwester galoppierte neben ihm her, die Brauen vor Wut zusammengezogen. »Bist du wahnsinnig? Sieh doch, wohin du reitest!«
Richard riskierte einen kurzen Blick. Sie stürzten geradewegs auf den Rand einer Klippe zu.
»Schließt die Augen, Schwester.«
»Hast du den Verstand ver…«
»Schließt die Augen! Das ist eine Täuschung. Die Halluzination einer Angst, die uns gemeinsam ist, der Angst zu fallen. Aus dem gleichen Grund haben wir beide die Schlangen gesehen.«
»Die Schlangen waren echt! Wenn du dich irrst, werden wir umkommen!«
»Schließt die Augen. Wenn dort wirklich eine Klippe ist, werden die Pferde nicht über ihren Rand hinausrennen.« Hoffentlich irrte er sich in diesem Punkt nicht.
»Es sei denn, es gibt sie wirklich und die Magie gaukelt ihnen einen ebenen Erdboden
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