Die Schwestern des Lichts - 3
denkst du gerade nach. Ich bin keine von ihnen.«
Tatsächlich ging Zedd genau das gerade durch den Kopf.
»Und wenn«, fragte er, ohne sich umzudrehen, »würdest du es mir sagen?«
Sie schwieg. Er blickte über die Schulter und sah, daß sie ihn anlächelte. »Die Schwestern des Lichts schätzen Ehrlichkeit höher ein als alles andere. Und doch ist eine Lüge im Dienste ihres Schöpfers für sie eine Tugend.«
Das Feuer loderte auf. Zedd stand vor ihr und blickte auf sie herab, ohne das Lächeln zu erwidern. »Das ist für mich kein Trost.«
Sie ergriff seine Hand und tätschelte sie.
»Ich werde dir die Wahrheit sagen, Zedd. Ich stehe bei einigen von ihnen in der Schuld für das, was sie für mich getan haben, aber ich schwöre dir einen Eid auf die Seele meines toten Pell: Ich bin keine Schwester des Lichts. Solange ich weiß, daß es einen Zauberer gibt, der ihn ausbilden kann, würde ich niemals zulassen, daß sie einen mit der Gabe von unserer Seite bekommen. Ich würde niemals zulassen, daß ein Junge verschleppt und ihrem Willen unterworfen wird, solange ich Einfluß darauf habe.«
Zedd strich die Fransen des Teppichs mit dem Fuß glatt. »Ich weiß, daß du keine von ihnen bist, meine Liebe. Ich finde die Vorstellung nur widerlich, daß diese Frauen denen mit der Gabe diese Dinge antun, während ich ihnen die Freuden ihrer Begabung zeigen könnte. Es handelt sich um eine Gabe. Sie behandeln es wie einen Fluch.«
Sie strich mit dem Daumen über seinen Handrücken. »Wie ich sehe, hast du einen feschen neuen Stock.«
Zedd brummte. »Ich denke nur höchst ungern daran, welchen Preis Meister Hillman sich dafür ausdenken und mir auf die Rechnung setzen wird.«
»Und hast du einen Wagen für uns gefunden?«
Zedd nickte. »Ein Mann namens Ahern. Wir sollten versuchen, ein wenig zu schlafen. Er wird drei Stunden vor Tagesanbruch mit seiner Kutsche hier sein.«
Er warf ihr einen verbitterten Blick zu. »Adie, bis wir in Nicobarese sind und uns von dieser Vergiftung befreit haben, sollten wir sehr sorgfältig die Folgen bedenken, bevor wir Magie benutzen.«
»Sind wir hier sicher?«
Aus dem Dunst des fahlen Lichtes wurde eine Hand hervorgestreckt, streifte ihre Wange und tröstete sie.
Du bist hier in Sicherheit, Rachel. Ihr beide seid hier sicher. Jetzt, und für immer. Du bist in Sicherheit.
Rachel lächelte. Sie fühlte sich tatsächlich geborgen. Geborgener als je zuvor. Nicht einfach nur geborgen, so wie sie sich in Chases Gegenwart fühlte, sondern geborgen wie in den Armen ihrer Mutter. Sie hatte sich vorher nie an ihre Mutter erinnern können, doch jetzt konnte sie es, sie erinnerte an die umschließenden Arme, die sie an eine Brust drückten.
Die fürchterliche Angst, die sie mit Chase geteilt hatte, als sie gerannt waren, um Richard einzuholen, verflog. Die schwer lastende Sorge, ob sie ihn rechtzeitig einholen würden oder nicht, verflog. Das Entsetzen der Menschen, die versuchten, sie aufzuhalten, die Kämpfe, die Chase hatte ausfechten müssen, das grauenvolle Blut, das sie gesehen hatte, all das Blut das sie gesehen hatte … all das verflog.
Sie stand vor dem schillernden Becken, als die Hände ein weiteres Mal nach ihr griffen. Und das mit einem sanften, beruhigenden Lächeln. Die Hände halfen ihr, die Knöpfe ihres schmutzigen, verschwitzten Kleides aufzuknöpfen und es auszuziehen. Sie zuckte zusammen, als das Kleid an der wunden Stelle auf ihrer Schulter hängenblieb, an jenem blauen Fleck, den sie sich eingehandelt hatte, als der Mann, der sie verfolgte, sie niedergeschlagen hatte.
Die lächelnden Gesichter bekamen wegen ihrer Schmerzen einen sorgenvollen Zug. Die sanften, freundlichen Stimmen flöteten ihr Trost zu. Die glühenden Hände strichen über ihre Schulter, und als sie wieder fortgenommen wurden, war der blaue Fleck verschwunden. Und die Schmerzen auch.
Besser?
Rachel nickte. »Ja, viel besser. Danke.«
Die Hände zogen ihr Schuhe und Strümpfe aus. Sie setzte sich auf einen warmen Stein und ließ ihre nackten Füße im wohltuenden Wasser baumeln. Wie schön wäre es, zu baden und Schmutz und Schweiß abzuwaschen.
Die Hände griffen nach dem Stein, der an der Kette um ihren Hals hing. Dann wichen die Hände zurück, als hätten sie plötzlich Angst.
Wir können diesen Gegenstand nicht entfernen. Das mußt du ohne unsere Hilfe tun.
Durch die wohltuende Wärme und die Sicherheit des Landes ringsum, durch den Trost und den Frieden, den sie gefunden hatte, durch
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