Die Schwestern des Lichts - 3
bekommen. Durch deine Beteiligung wurde die unmittelbare Bedrohung abgewendet, aber dadurch wurde dem Tor auch Magie zugeführt, wodurch sich das Risiko erhöht, daß uns in Zukunft noch größere Gefahren drohen. Ich mußte dieses Risiko eingehen. Es nicht zu tun, hätte eine Katastrophe bedeutet. Doch wenn das, was schiefgelaufen ist, nicht gerichtet wird, dann wird es am Ende zu einer noch größeren Katastrophe kommen.«
»Was ist der Schleier? Wo befindet er sich?«
Sie streckte die Hand aus und tippte ihm gegen die Stirn. »Der Schleier befindet sich in denen von uns, die Magie besitzen. Wir sind seine Wächter. Deswegen bedeutet den Menschen mit der Gabe Ausgewogenheit so viel. Wenn der Schleier eingerissen ist, beginnt das Gleichgewicht zu kippen. Je mehr es kippt, um so weiter reißt der Schleier ein.
Der Schöpfer herrscht über sein Reich, der Hüter über das seine. Der Hüter braucht den Schöpfer, da dieser ihm Leben zuführt, der Schöpfer braucht den Hüter, damit sich das Leben erneuern kann. Der Schleier wahrt dieses Gleichgewicht.«
Ihre Miene wurde grimmig. »Viele würden dies als Blasphemie bezeichnen. Sie sehen den Hüter nur als Übel, das vernichtet werden muß. Doch damit bewirkte man genau das Gegenteil – alles Leben würde fortgeschwemmt wie eine Sandbank von der Flut.«
»Nur um der Debatte willen, was wäre, wenn ich tatsächlich beide Arten von Magie besäße? Wozu dient meine Kraft?«
»Die meisten Zauberer haben ein Talent, das in eine bestimmte Richtung geht. Einige sind Heiler, manche stellen magische Gegenstände her, Propheten sind schon seltener. Am seltensten sind Kriegszauberer. Seit über dreitausend Jahren wurde keiner mehr geboren. Bis du kamst.«
Richard wischte sich die schweißnassen Hände an den Hosenbeinen ab. »Das gefällt mir überhaupt nicht.«
»Das Wort Kriegszauberer hat zwei Bedeutungen, die sich, wie alle Dinge der Magie, ausgleichen. Die erste hat zum Inhalt, daß sie den Schleier einreißen, Tod und Zerstörung bringen können – eben Krieg. Und die zweite, daß sie jene Magie besitzt, die man braucht, um gegen die Kräfte des Hüters anzukämpfen. Ein Kriegszauberer zu sein, bedeutet nicht, daß du böse bist, Richard. Viele, die kämpfen, tun dies, um Wehrlose zu schützen. Es bedeutet vielmehr, daß du genug Verantwortungsbewußtsein besitzt, um zu kämpfen und die Wehrlosen zu verteidigen.«
»›Nur der, der aus der Wahrheit geboren wurde, kann um die Bande des Lebens kämpfen. Und dieser ist gezeichnet, er ist der Kiesel im Teich‹«, zitierte Richard.
Sie zog eine Augenbraue hoch. »Für jemanden, der vorgibt, sich nichts aus Prophezeiungen zu machen, ist es erstaunlich, wie gut du einige der zentraleren Stellen zu kennen scheinst. Wenn ich nicht völlig verwirrt bin, müßtest du gezeichnet sein.«
Richard spürte die Narbe auf seiner Brust, als er nickte. »Wollt Ihr damit sagen, das Ende meines Lebens zeichnet sich bereits ab? Daß ich es nur zu Ende leben soll, so wie es vorherbestimmt ist?«
»Nein, Richard. Das Leben ist nicht vorherbestimmt. Die Prophezeiungen bedeuten lediglich, daß du über das Potential verfügst. Du besitzt die Fähigkeit, Ereignisse zu beeinflussen. Deswegen ist das Lernen für dich so wichtig.
Du mußt, und das ist von äußerster Wichtigkeit, lernen, dich selbst zu akzeptieren. Wenn du das nicht tust, dann fügst du dem entscheidendsten Teil deines Ichs Schaden zu: deinem freien Willen. Wenn du handelst, ohne zu verstehen, überläßt du dich dem Chaos.
Ich habe dich bei deiner Geburt am Leben gelassen, weil du die Fähigkeit besitzt, Gutes zu tun. In dir ruht die Hoffnung des Lebens. Doch bis du wirklich beide Seiten deiner Magie akzeptierst, stellst du für jedes lebendige Wesen eine Gefahr dar.«
Richard wollte verzweifelt das Thema wechseln. Er fühlte sich von alldem, von der ganzen Welt erdrückt. »Was ist der Stein der Tränen?«
Sie zuckte kurz mit den Achseln. »In der Welt der Toten existiert er als eine Kraft. In dieser Welt ist er ein Gegenstand, der Macht besitzt, und diese Kraft repräsentiert.
Der Stein der Tränen ist wie ein Gewicht, das den Hüter am grenzenlosen Ende seiner Welt gefangenhält, wohingegen hier sein Einfluß bis zur Ausgewogenheit abgeschwächt ist.«
»Wenn er sich also hier befindet, von ihm gelöst, dann ist der Hüter aus seinem Gefängnis frei.«
»Wenn das stimmte, dann wären wir alle längst tot. Hmmm?« Sie zog fragend die Augenbrauen hoch, doch Richard
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