Die Schwestern des Lichts - 3
erklärten mir, die Bücher mit den Anleitungen zur Zauberei seien durch starke Zauber geschützt, die durch bestimmte Wörter im Text ausgelöst würden. Sie meinten, nur wer die Gabe besitzt, könne ein Buch mit Anleitungen zur Zauberei lesen und die Wörter im Kopf behalten. Diese sechs Zauberer waren Zauberer aus Berufung, nicht, weil sie die Gabe besaßen. Selbst sie konnten nicht alle Bücher lesen und verstehen, sondern nur die weniger wichtigen. Und das auch nur, weil sie darin ausgebildet waren.
Zedd verriet uns, daß die Bücher der Gezählten Schatten zu den allerwichtigsten in der Burg gehörten – sie seien so wichtig, daß sie in der Enklave des Ersten Zauberers aufbewahrt würden. Richard, ohne die Gabe hättest du es dir niemals einprägen können. Eine andere Möglichkeit gibt es nicht. Irgendwoher muß dein Vater dies gewußt haben, deswegen hat er auch dich dazu bestimmt, es auswendig zu lernen.«
Ihr Kopf ruhte noch immer an seiner Schulter, und sie spürte, wie sein Atem einen Augenblick lang stockte, als er die Bedeutung dessen begriff, was sie ihm gerade verraten hatte. »Richard, erinnerst du dich noch an das Buch?«
Seine Stimme klang leise und wie aus weiter Ferne. »An jedes Wort.«
»Ich habe zwar gehört, wie du es vorgetragen hast, und ich weiß, daß du es vollständig aufgesagt hast, aber ich kann mich an kein einziges deiner Worte erinnern. Die Magie bestimmter Wörter hat es vollkommen aus meiner Erinnerung gelöscht. Ich weiß nicht, wie du es benutzt hast, Darken Rahl zu besiegen.«
»Im ersten Buch stand: teilt man die Worte demjenigen mit, der die Kästchen der Ordnung kontrolliert, ohne daß dieser sie selbst liest, dann kann er ihre Wahrheit nur mit Hilfe eines Konfessors überprüfen. Rahl war überzeugt, du hättest mich mit deiner Kraft vernichtet, daher war er der Ansicht, ich würde mit jedem Wort die Wahrheit sprechen. Das habe ich auch, doch am Ende habe ich einen wichtigen Teil ausgelassen, damit er das falsche Kästchen wählt, das ihn dann getötet hat.«
»Siehst du? Du kannst dich noch immer an die Worte erinnern. Das könntest du nicht, wenn du die Gabe nicht hättest. Die Magie würde es verhindern. Richard, wenn wir aus dieser Sache rauswollen, müssen wir der Wahrheit ins Gesicht sehen und dann überlegen, was zu tun ist. Du besitzt die Gabe, mein Liebster. Du hast magische Kräfte. Tut mir leid, aber das ist nun mal die Wahrheit.«
Er stieß einen verzweifelten Seufzer aus. »Vermutlich habe ich mich so heftig dagegen gewehrt, daß ich es mir selber ausgeredet habe. Aber so einfach liegen die Dinge leider nicht. Ich hoffe nur, du hältst mich nicht für einen Narren. Danke, daß du mich so sehr liebst, daß ich die Wahrheit erkennen konnte.«
»Du bist kein Narr. Du bist mein Liebster. Uns wird schon etwas einfallen.« Sie gab ihm einen Kuß auf den Handrücken, dann betrachteten sie schweigend den Himmel. Er hatte eine dunkle, kaltgraue Farbe – ein Spiegel ihrer Stimmung.
»Ich hätte meinen Vater gern kennengelernt. Er war ein besonderer Mensch. Wahrscheinlich weiß ich nicht mal selbst, wie einzigartig er war. Ich vermisse ihn.« Er lauschte in sich hinein. »Und dein Vater?«
Kahlan wickelte sich eine Haarsträhne um den Finger. »Mein Vater war der Gatte meiner Mutter, der Gatte eines Konfessors. Er war kein Vater, so wie jemand der Vater seiner Kinder ist. Er war von ihrer Kraft überwältigt worden und bestand ausschließlich aus seiner Hingabe zu ihr. Mich beachtete er nur, um meiner Mutter zu gefallen, nur weil ich ihre Tochter war. Er hat mich niemals als das gesehen, was ich war, sondern immer nur als Teil jenes Konfessors, an den er gebunden war.«
Richard riß einen langen Grashalm aus und zog das Ende nachdenklich zwischen seinen Schneidezähnen hindurch. Schließlich fragte er: »Wer war er, bevor sie ihn mit ihrer Magie überwältigt hat?«
»Sein Name war Wyborn Amnell. König von Galea.«
Richard stützte sich auf einen Ellenbogen und sah sie überrascht an. »Ein König! Dein Vater war ein König?«
Ohne zu merken, was sie tat, nahm sie jenen Gesichtsausdruck äußerlicher Ruhe an, der nichts verriet: das Gesicht eines Konfessors.
»Mein Vater war Gatte eines Konfessors. Das war alles, was in ihm steckte. Während der fürchterlichen, auszehrenden Krankheit meiner Mutter, an der sie schließlich starb, befand er sich in einem ständigen Zustand der Panik. Eines Tages kamen der Zauberer und die Heilerin, die sich um sie
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