Die Schwestern von Rose Cottage: Jo (German Edition)
jedoch wollte sie die Wahrheit erzählen. Ihre Schwestern wussten nichts von der großen Liebe in jenem Sommer, den sie im Rose Cottage verbracht hatte. Alle drei hatten damals Sommerjobs in Boston gehabt, während sie den ganzen Sommer bei ihrer Großmutter – und mit Pete – verbracht hatte.
Sie war sich damals absolut sicher gewesen, dass Pete der Mann ihres Lebens wäre. Sie hatte ihm geglaubt, als er sagte, er würde sie lieben, glaubte ihm, als er ihr versprach, er würde bis zum folgenden Jahr auf sie warten.
Doch bereits als die ersten Blätter fielen, erwähnte ihre Großmutter wie nebenbei, dass Pete geheiratet hätte. Einige Monate später wurde dann ein Baby geboren. Ein Junge.
Sie und ihre Großmutter hatten vor den anderen den Schein aufrechterhalten, dass sie nur ein wenig Klatsch über einen Bekannten weitergaben, aber Jo hatte das Mitgefühl in Grannys Worten herausgehört. Ihre Großmutter hatte nur zu gut gewusst, dass diese Nachricht ihre Enkelin am Boden zerstören würde.
Jo hatte sich zutiefst verraten gefühlt, besonders, weil der junge Mann, den sie liebte und dem sie vertraut hatte, noch nicht mal den Mut aufgebracht hatte, ihr persönlich zu gestehen, wie grundlegend sein Leben sich verändert hatte. Das hätte zwar den Schmerz nicht erträglicher gemacht, hätte ihr aber gezeigt, dass sie sich nicht ganz in ihm geirrt und dass sie ihm mal etwas bedeutet hatte.
Sie hatte Jahre gebraucht, bis sie den Mut fand, ihr Herz ein zweites Mal zu verschenken. Und jetzt war ihr genau das Gleiche wieder passiert.
Nein, Virginia war eindeutig nicht der Ort, an den sie gehörte. Sie musste zu Hause in Boston bleiben und sich in ihrer Arbeit vergraben. Jo liebte ihren Beruf als Landschaftsarchitektin, und sie hatte Freunde, wenn die ihr auch nicht so nahestanden wie ihre Schwestern.
„Ich kann nicht kommen“, wiederholte sie mit ausdrucksloser Stimme.
Melanie seufzte theatralisch. „Das bedeutet, dass wir morgen früh abfahren müssen. Nicht wahr, Ash und Maggie?“
„Ich werde um fünf Uhr reisefertig sein. Wie steht es mit euch?“
„Fünf ist eine ausgezeichnete Zeit.“
„Nein!“, protestierte Jo, obwohl sie wusste, dass es vergebens war. Ihre drei Schwestern würden keine Ruhe geben, bevor sie ihr Nesthäkchen nicht wenigstens ein paar Tage lang bemuttert hatten. Das war der Fluch, die Jüngste zu sein.
„Du wirst uns nicht aufhalten können“, drohte Ashley ihr an. „Es sei denn, du entscheidest dich, freiwillig zu uns zu kommen. Bleib doch den ganzen Winter bei uns. Du wirst sehen, wie friedvoll und ruhig es hier ist. Wir werden dich auch nur stören, wenn du es möchtest.“
„Das soll wohl ein Witz sein. Als ob ihr Rücksicht nehmen würdet“, erwiderte Jo. „Vielleicht komme ich für ein Wochenende, damit ihr seht, dass ich kein Häufchen Elend bin. James ist es nicht wert, dass ich seinetwegen auch nur eine Träne vergieße.“
Sie würde ihre Abneigung gegen Rose Cottage einige Tage verdrängen können und dann so schnell wie möglich wieder nach Boston zurückkehren. Sie würde sich einfach, so gut es ging, im Haus aufhalten, damit sie Pete ja nicht über den Weg lief. Doch allein auf der Fahrt nach Irvington würde sie sich an ihre erste große Liebe erinnern. Ihre Schwestern hatten ihr berichtet, dass er der größte Bauunternehmer am Ort geworden war. Er hatte sich einen Namen gemacht. Plakate und Tafeln zeugten an allen Ecken und Enden der Region davon, wie viele Aufträge er übernommen hatte. Sein Traum, über den sie damals so viel gesprochen hatten, war Wirklichkeit geworden – allerdings mit einer anderen Frau an seiner Seite.
„Ein paar Tage werden nicht reichen“, antwortete Melanie bestimmt. „Sogar Ashley, unsere Arbeitswütige, hatte seinerzeit drei Wochen geplant. Du wirst es also doch wohl schaffen, einen Monat bei uns zu bleiben.“
„Genau“, pflichtete Ashley ihr bei. „Außerdem bist du Landschaftsarchitektin. Ich glaube kaum, dass du im Winter in Boston sehr viel Arbeit hast. Vielleicht könnte Mike dir etwas Arbeit beschaffen. Er hat sowieso mehr Aufträge, als er im Moment bewältigen kann.“
„Ihr habt euch das alles bereits ausgedacht, bevor ihr angerufen habt, nicht wahr?“, fragte Jo resigniert. „Ihr habt auch sicher schon mit Mike gesprochen.“
„Natürlich“, erwiderte Ashley fröhlich. „Ich gehe schließlich auch nie in den Gerichtssaal, ohne mich vorbereitet zu haben. Außerdem war das sogar Mikes Idee, nicht
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