Die Schwestern
Ferraro», murmelte de Guiles farbloser, aber effizienter Assistent.
Delias Herz begann schneller zu schlagen, Adrenalin rauschte durch ihre Adern. Das war albern! Er war auch nur ein Mann und
wahrscheinlich ein ziemlich langweiliger alter Sack. Sie machte ihren Job gut. Wenn nicht sogar hervorragend. Was hatte sie
also zu befürchten? Und selbst wenn er sie nach seiner dämlichen Ausstellung fragte, war es ja wohl kein Verbrechen, die Einladung
an die eigene Schwester weiterzugeben, oder?
Sie betrat ein riesiges Büro. Von ihrer Position an der Tür aus schien es sich über die gesamte Längsseite des Gebäudes zu
erstrecken, und die einzige Person, die hier arbeitete, saß weit von ihr entfernt an einem riesigen Schreibtisch und las.
Der dunkelhaarige Mann schien in eine Akte vertieft, die aufgeschlagen vor ihm lag. Seine Augen waren hinter einer goldgeränderten
Lesebrille verborgen, und seine Gestalt und Größe ließ sich hinter dem massiven, mit Leder bezogenen Holzschreibtisch nur
erahnen. Dieser Mann hätte für Delia absolut fremd sein müssen … doch es war der Mann, der sie geküsst, verwöhnt und sie in ihren Wachträumen der letzten lustbestimmten Wochen auf alle
erdenkliche Arten besessen hatte.
Und als der «Prinz» sich elegant erhob und geschmeidig auf sie zuging, um ihr die Hand zum Gruß entgegenzustrecken, spürte
Delia die gleiche, vertraute sexuelle Erregung.
Ein paar Sekunden lang konnte sie weder denken noch sprechen oder atmen, und später fragte sie sich oft, wie sie es überhaupt
geschafft hatte, sich auf den Beinen zu halten.
Der Mann vor ihr war nicht
real
, doch er war da. Das hier war ihre trostlose, öde Stadt und nicht der geheime Garten ihrer Phantasien – trotzdem war
er
es, dessen Gesicht sie heute Morgen in jenem Moment gesehen hatte. Und wenn sie jetzt das Ungeheuerliche tun und auf die Knie
gehen, seine maßgeschneiderte Anzughose öffnen und seinen Schwanz in den Mund nehmen würde, dann würde sie den gleichen Geschmack
auf der Zunge haben, den sie bereits in ihrer Phantasie gekostet hatte.
Vor ihr stand das Klischee, der Prototyp, das Ideal eines großen, dunkelhaarigen, gutaussehenden Mannes. Es war der Mann,
dessen Mund, Hände und Körper ihr sexuelles Empfinden vollkommen ausgeschöpft hatten, seit sie das erste Mal von ihm geträumt
hatte.
«Delia Ferraro», sagte er sanft, und der Klang seiner Stimme war ihr nur allzu vertraut. «Wie geht es Ihnen? Sie wirken ein
wenig überrascht.»
Delia schwirrte der Kopf. Es war verrückt. Er kannte sie nicht. Es waren
ihre
Träume, nicht seine! Wie konnte er wissen, welche Rolle er für sie spielte?
«Ich … es tut mir leid», murmelte sie, und ihr wurde tatsächlich schwindelig. «Sie sind … Ich hatte Sie mir ganz anders vorgestellt. Ich –»
Doch sie brachte nicht heraus, was sie sagen wollte. Denn in diesem Moment schienen große Wolken aus gedämpftem weißem Licht
zwischen ihr und de Guile zu explodieren. Die Hitze war an diesem Morgen einfach tödlich, und selbst in diesem klimatisierten
Raum schien sichplötzlich alles um Delia zu drehen. Sie würde jeden Moment ohnmächtig werden, das war ihr klar, doch gerade als der Teppichboden
gefährlich zu schwanken begann, spürte sie, wie sie hochgehoben und leichtfüßig quer durch den Raum getragen wurde. Noch bevor
ihr dämmerte, was geschehen war, wurde sie auf einem weichen Ledersofa abgelegt, das Teil eines Arrangements aus großzügigen,
modernen Sofas und Sesseln war, die um einen gläsernen Kaffeetisch gruppiert standen. Von der Besprechungsecke aus hatte man
durch ein Panoramafenster eine atemberaubende Sicht über die gesamte Stadt. Da sie jedoch nur verschwommen sah, bemerkte Delia
sehr wenig davon. Einige Sekunden später wurde ihr ein Glas Wasser an die Lippen gehalten, und eine kräftige Hand stützte
ihr den Kopf, damit sie trinken konnte.
Das Wasser war kühl und prickelte sanft, was ihre Sinne wieder zum Leben erweckte. Delia blinzelte aufgeregt und schaffte
es, den Mann näher in Augenschein zu nehmen, der neben ihr saß und mit seinen Knien fast ihre nackten Beine berührte.
«Geht es wieder besser?» De Guiles samtige Stimme war genauso unglaublich wie sein Aussehen. Und genauso vertraut. Delia verspürte
den manischen, fast unerträglichen Drang, ihn zu bitten, er möge das Wort «wunderschön» für sie aussprechen. Doch als sie
langsam wieder zu sich kam, besann sie sich eines
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