Die Schwesternschaft des Schwertes - 8
bekämpfte die Übelkeit und brachte ihn und sich zur Ruhe. Schließlich erlebte sie seinen Traum oder seine Erinnerung nach: Domna Delleray kippte hilflos nach hinten, dann folgte ein stechender Schmerz an der Schläfe. Sie ließ ihren Geist in die Ferne greifen, tastete um sich, sandte einen Hilfeschrei an jenen, der ihr am nächsten war, ihren einzigen Enkel. Dann fiel sie der Bewusstlosigkeit anheim … oder dem Tod.
»Nein«, beharrte Dennor, der Shayas Gedanken auffing. »Sie ist nicht tot. Ich würde es wissen. Aber wir müssen schnell zu ihr.«
Lista, die plötzlich neben der Wortführerin stand, sagte mit ruhiger Stimme: »Ich hole die Pferde.« Shaya glitt aus der Verbindung und erblickte die um sie versammelten Gildenschwestern. Auch sie hatten die Lage sofort erfasst.
»Zieh dich schnell an«, sagte sie zu Dennor. »Du brauchst Schuhe und einen warmen Umhang. Beeilt euch, alle.« Niemand wäre auf die Idee gekommen, zurückzubleiben.
Nach endlos langer Zeit, die jedoch viel kürzer war, als sie glaubten, trotteten sechs Pferde den schmalen Weg hinunter, der zum Fuß des Berges führte. Glücklicherweise war der Mond Liriel aufgegangen, und zwei andere schickten sich gerade dazu an. »Wir müssen gleich hinter der Brücke auf den kleinen Pfad abbiegen!«, rief Dennor von vorn. »Seit dem Tod meiner Mutter lebt Großmutter auf dem Besitz meines Vaters allein in einem Landhaus! Bei ihr ist nur eine Zofe, und Iniya ist taub.«
Vor der Tür des Landhauses sprangen sie von den Pferden. Caitha lief voraus, klopfte und rief: »Domna Magwyn! Domna! Iniya! Ist niemand hier?« Dennor war nur wenige Schritte hinter ihr und vergeudete mit Klopfen keine Zeit. Er zog einen langen Holzschlüssel aus einem hohlen Baum und hatte die Tür im Nu geöffnet. Da stolperte ihnen auch schon im Hausflur die mit einem zerknitterten Nachthemd bekleidete Zofe entgegen und schwenkte ein Schüreisen. Als die arme benommene Frau Dennor erkannte, ließ sie die Waffe fallen und starrte die Entsagenden an.
»Iniya!«, schrie Dennor. »Wo ist Großmutter?«
Ein leises Stöhnen antwortete ihm, dem sie in den nächsten Raum folgten. Magwyn lag am Fuß der Treppe, eine Gesichtshälfte war voller Blut. Iniya stieß einen kurzen Schrei aus und eilte an die Seite ihrer Herrin. Shaya bückte sich daneben und zog sie zurück. »Meine Schwester Lista soll sie untersuchen, Mestra«, sagte sie. »Sie ist Hebamme und Heilerin.« Dies war natürlich eine Lüge, aber so konnte sie am besten vertuschen, dass Lista die beste Überwacherin der Gruppe war. Iniya wurde hinausgeschickt, damit sie in kochendem Wasser einige belebende Kräuter einweichte. So hatte Lista Gelegenheit, Magwyns Verletzung zu untersuchen.
Mit der pragmatischen, leidenschaftslosen Disziplin, die sie erlernt hatte, meldete sie: »Lady Magwyn ist übel gestürzt, doch ihr Rückgrat ist unverletzt. Sie hat keine inneren Verletzungen, nur einige Hautabschürfungen. Das Schlimme ist, dass sie sich den Kopf gestoßen hat und an einer inneren Blutung leidet. Wenn sie nicht bald aufhört zu bluten - und ich glaube nicht, dass es von selbst geschieht -, trägt sie einen irreparablen Hirnschaden davon. Dann wird sie in zwei oder drei Stunden sterben.«
Dennor fing an zu weinen. »Sie darf nicht sterben. Sie ist die Einzige, die mich je geliebt hat. An meine Mutter kann ich mich nicht erinnern. Ich kann sie nicht auch noch verlieren.«
Dorelle nahm ihn in die Arme. Zum ersten Mal wehrte er sich nicht. »Chiyu, für jeden von uns ist irgendwann die Zeit gekommen.
Deine Großmutter hat viele gute Jahre erlebt, nun wird sie sanft und ohne Schmerzen von uns gehen. Und du wirst dich immer an ihre Liebe erinnern.«
Dennor befreite sich von ihr und schaute Shaya an. »Ihr könnt ihr helfen. Ich weiß, dass ihr es könnt. Benutzt eure Zauberkräfte - oder beherrscht ihr nur Tricks, die man bei Festlichkeiten vorführt?«
Seine Worte und sein provozierender Ton tarnten einen gequälten Appell.
»Es ist viel mehr, als wir je versucht haben«, sagte Shaya voller Zweifel. »Ich weiß nicht mal, ob ein geschickter Turmkreis sie retten könnte.«
»Was haben wir zu verlieren?«, fragte Lista.
»Eigentlich nichts.« Shaya legte eine Hand auf Dennors Schulter.
»Wir werden es versuchen … Aber alles hängt von Avarras Willen und Gnade ab.« Sie musterte das schmerzerfüllte, blutige Gesicht, das so stolz und ehrlich gewesen war. »Auch ich möchte, dass sie weiterlebt. Das musst du verstehen,
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