Die Schwesternschaft des Schwertes - 8
Geländer fest. Die junge Entsagende, die sie gerufen hatte, stand noch an der Tür. Die Frau schaute neugierig zu, wie Lucie ins Freie trat und dem Mann, der auf der Straße wartete, den Kopf zudrehte.
Er kam ihr eilig vier Stufen entgegen und nahm sie in die Arme.
Die Umarmung war viel mehr als eine Umarmung unter Verwandten. Die junge Frau trat einen Schritt zurück, als hätte sie das Gefühl, jemanden bei einer äußerst privaten Angelegenheit zu beobachten. Aislinn schob sich an ihr vorbei und fand sich auf ähnliche Weise umarmt.
Die junge Frau wandte sich kopfschüttelnd ab. »Man könnte fast meinen«, murmelte sie vor sich hin, »dass er der Blinde ist. Er führt sich auf, als sähe er nicht, wie alt und vernarbt die beiden sind.«
Die beiden Frauen konnten nichts tun, um beim Aufräumen zu helfen. In den letzten Wochen hatte die Erde regelmäßig gebebt, so dass es inzwischen Routine war, sich davon zu erholen. Der Feueralarm war nicht ernst gewesen. Ein Straßenhändler war in Panik geraten, als sich der Inhalt eines Grills auf den Boden seines Karrens ergossen hatte.
Als sie der Burg Thendara entgegenritten, begutachtete Aislinn die Schäden an den Häusern und Geschäften. Je näher sie kamen, umso leichter erkannte man das gespenstische blaue Leuchten, das den Nordturm einhüllte. Es schien mit dem Schlag ihres Herzens zu pulsieren. Lucie streckte eine Hand aus und berührte Aislinn, damit sie das faszinierte Starren aufgab.
Es war so eiskalt auf den Straßen, dass sie den mit Pelz abgesetzten Umhang enger um ihre Schultern zog. Lucie saß vor Fergus auf seinem Pferd. Sein geflickter Lederumhang bedeckte beide. Die Plage, die für das Beben zuständig war, beeinflusste auch das Wetter. Angeblich herrschte in Thendara Hochsommer, doch noch immer schaufelte man jeden Morgen den Schnee von den Straßen.
Der junge Page schluckte erschreckt, als Aislinn verkündete, wer sie waren und dass sie Cavan Hastur sprechen wollten. Fürst Hastur stand nur eine Stufe unter dem König. Der Blick’ des Jungen huschte von Aislinns pockennarbigem Gesicht und ihrem kurzen grauen Haar zu Lucies verbundenen Augen und dann zu der tiefen, schartigen Narbe, die unter Fergus’ Auge bis zu seinem kahlen Schädel hinauflief.
»Nun mach schon!«, bellte Aislinn. Der Page ergriff die Flucht.
Fergus lachte leise. Lucie wandte sich kopfschüttelnd dem Feuer zu, um sich die Hände zu wärmen.
»Du hättest den Kleinen nicht so erschrecken sollen, Linn. Das ist ungerecht.«
»Der Bengel hätte uns nicht so anstarren sollen. Man könnte fast meinen, er hätte noch nie Kampfnarben gesehen.«
»Hat er wahrscheinlich auch nicht«, sagte Fergus. »Jedenfalls nicht bei Frauen.«
Aislinn schnaubte geringschätzig und baute sich neben Lucie auf.
Sie streckte die Hände aus, dann schob sie sie schnell wieder unter ihren Umhang. In ihrer Jugend war sie die beste Rryl- Spielerin Dalereuths gewesen, doch mit nur fünf Fingern an jeder Hand war das Instrument nicht mehr bedienbar. Lucies stark ausgeprägtes Laran fing die Erinnerung ihrer Base auf, und sie schlang einen Arm um Aislinns Taille.
Ein junger Mann betrat den Raum, und das Trio wandte sich zu ihm um. Lucies unterdrücktes Keuchen spürte Aislinn mehr, als dass sie es hörte. Der Mann trug geckenhafte Kleider, die so übertrieben waren wie die eines Prinzen. Doch nicht die Kleidung machte sie sprachlos, sondern das Metall an seinem Körper. Sein kurzer roter Umhang wurde am Hals von einer großen silbernen Spange mit einem stilisierten Falkenkopf zusammengehalten. An der einen Hand trug er zwei, an der anderen drei Ringe. Die Schnürlöcher seines Seidenwamses waren in Metall gefasst, sein Gürtelverschluss ebenso. Die Stiefel waren knapp unterhalb der Knie mit Schnallen versehen; die Sporenrädchen klingelten auf hässlich metallische Weise.
Er kam mit festem Schritt herein. »Fürst Hastur hat für euresgleichen heute keine Zeit«, verkündete er ohne jedes Zeremoniell. »Wenn ihr ihn sprechen wollt, müsst ihr bei meinem Sekretär um einen Termin mit mir ersuchen.«
Fergus hatte den Raum in einer Sekunde durchquert. Seine großen, derben Hände griffen in das Seidenhemd, und er schob den jungen Mann rücklings an die Wand.
»Ich bin Fergus MacAran, du frecher kleiner Zwerg«, fauchte er wutentbrannt. »Und dies hier sind Domna Aislinn Aillard und ihre Base, Domna Lucie Valeron. Sagen dir diese Namen überhaupt etwas, Jüngelchen? Wir sind auf den ausdrücklichen
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