Die Schwesternschaft des Schwertes - 8
gegenseitig zu trauen? Die Familienehre besteht, solange auch nur ein Angehöriger der Familie lebt.«
Ailain schaute das Schwert und das Banner ihres Anverlobten eine geraume Weile an, dann warf sie beides ins Wasser. Als sie ihr eigenes Schwert aus der Scheide zog, sah sie, dass die anderen besorgt zurücktraten, während das Kind einen Schrei unterdrückte und das Gesicht in den Armen der anderen Frau verbarg. Main hob ihren langen Zopf mit einer Hand hoch. Die Symbole ihrer Sippe waren darin eingeflochten. Erst heute Morgen hatte ihr Geliebter ihr eine Kette mit Perlen in den Sippenfarben geschenkt. Er hatte ihr zugeschaut, als sie den Schmuck in ihr Haar geflochten hatte. Sie schnitt den Zopf ab und warf ihn ebenfalls ins Wasser.
»Ich entsage meiner Sippe und meinen alten Loyalitäten. Wir sind eine Schwesternschaft, und nun seid ihr, das schwöre ich, mein Volk.«
Sie schaute mit zunehmender Hoffnung zu, wie eine ihrer neuen Schwestern nach der anderen ihr langes Haar mit den Symbolen abschnitt und es in das schnell fließende Wasser warf.
Über Mercedes Lackey und ›Um einem Dieb eine
Falle zu stellen … ‹
Ich hatte die einmalige Freude - nun, sie war nicht gänzlich einmalig, da es mir inzwischen mehrfach passiert ist -, die erste Geschichte einer Autorin vorstellen zu dürfen, die sich in meinem Genre auch weiterhin einen Namen gemacht hat. Mercedes Lackey publizierte erstmals in Die Freien Amazonen und anschließend in den Schwestern-Anthologien. Ihre Geschichten drehen sich um zwei Frauen, die eine Zauberin, die andere Fechterin, die Freie Amazonen sind, auch wenn sie nicht so genannt werden. Außerdem erschien eine ihrer Geschichten in Die Domänen. Aber sie hat mit ihren ausgezeichneten ›Herald‹-Büchern - die mir paradoxerweise gefallen, obwohl sie sich mit Leuten befassen, die mit intelligenten Pferden kommunizieren - eine unabhängige Laufbahn eingeschlagen. Als alte Bauersfrau habe ich, was Pferde angeht, zwar keine romantischen Illusionen, doch mir gefällt Lackeys Werk, obwohl es von Pferden handelt. Mir sind Drachen allgemein lieber, auch wenn sie ein zu Tode gerittenes Fantasy-Klischee sind.
Mercedes Lackey hat auch einige sehr schöne Großstadt-Fantasy-Romane geschrieben, deswegen sehe ich sie nicht mehr als Protektionskind, sondern als selbständige und unabhängige Autorin. Was mich an die Zeit denken lässt, in der die liebenswerte, inzwischen verstorbene Autorin C. L. Moore (1911-1985) im letzten Jahr ihres bewussten Lebens vor einer Gruppe von Autorinnen sprach. (Als Opfer der Alzheimer-Krankheit lebte sie zwar noch sehr lange, wusste aber nicht mehr, wer sie war, und erkannte keinen anderen mehr.) Als sie uns junge Autorinnen (einige waren um die 40 und älter) sah, murmelte sie verdutzt: »Ihr seid so jung, dass ihr nicht mal meine Töchter sein könntet.« Woraufhin sämtliche im Raum anwesenden Frauen - nicht nur ich, der es sofort einfiel -
spontan riefen: »Wir sind aber deine Töchter, Catherine!«
Deswegen neige ich dazu, viele junge Autorinnen - nicht nur diejenigen, die ich persönlich gefördert habe - für meine Töchter zu halten. Meine Freundin Sandi hat mir einst während einer unserer zahlreichen Auseinandersetzungen vorgeworfen: »Ach, Marion, du möchtest am liebsten jedermanns Mutter sein!« Woraufhin ich erwiderte: »Es fällt einem eben schwer, es nicht zu sein, wenn die ganze Welt auf deinem Schoß Platz nimmt!«
Aber - ich gestehe es - ich bin so stolz auf Mercedes Lackey, als wäre sie meine Tochter. In der folgenden Erzählung behandelt sie ein Problem, über das ich mir schon oft Gedanken gemacht habe.
Bedenkt man den Vertrag, der alle Waffen verbietet, die ›länger sind als die Reichweite des Arms, der sie, einsetzt‹ - entspricht dann die Verwendung von Pfeilen dem Gesetz? Und wenn ja, warum? - MZB
Um einem Dieb eine Falle zu stellen …
von Mercedes Lackey
Es hätte Spaß machen können. Tayksa arbeitete gern mit Leder, selbst wenn sie es flicken musste. Der Gemeinschaftsraum des nagelneuen Gildenhauses war endlich warm - zum ersten Mal seit Wintereinbruch. Praktisch alle Angehörigen der neu gegründeten Gilde der Entsagenden hatten einen Grund gefunden, hier zu sein, doch im Gegensatz zu ihrer Partnerin Deena hielt Tayksa sich gern in einem Menschengewimmel auf. Sie war schließlich ein Stadtkind.
Mauern und Menschen waren ihr Element.
Doch die gemütliche Atmosphäre war mit einem Mal zerschlagen, als eine andere Ex-Schwester
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