Die Schwesternschaft des Schwertes - 8
von Laranzu -Spezialisten geheilt werden konnte. Dies war schließlich der Grund, aus dem sie nach Arilinn ritten.
»Gefällt dir das Lied nicht?«, fragte Bethan. »Ehrlich gesagt, ich mag es. Ich hab es schon mal gehört. Ist aber schon lange her.
Irgendwo …«
»Vielleicht in deinem Kopf, Bethan, zusammen mit all den anderen ärgerlichen Liedchen, die man irgendwo hört und die einem tagelang nicht aus dem Kopf gehen. Es ist ein richtiger Ohrwurm …«
»Also wirklich, mein Freund, das ist doch Unsinn. Mir gefällt das Lied. Und ich glaube, sie singt es sogar ganz gut. Hör doch mal zu
… dah-rih-rah …«
»Bitte«, sagte Janisse. »Merkt Ihr denn nicht, dass es ihm auf die Nerven geht?« Sie sagte es allerdings nur deswegen, weil sie vermutete, dass Erlend es von ihr erwartete.
Plötzlich verstummte das Lied. Die Frau, die auf einem kräftigen Pony vor ihnen herritt, schien sie irgendwie verstanden oder gehört zu haben. Das leichte Sinken ihrer Schultern sagte Janisse, was sie empfand. Es war eine Art Nonchalance, eine Ruhe, eine gewisse Verachtung der Comyn.
»Wie lange dauert’s noch zum nächsten Gasthof, Mestra?«, fragte Bethan die Führerin mit lauter Stimme, um das Thema zu wechseln.
»Mindestens bis Sonnenuntergang«, kam die knappe Antwort der Entsagenden. Zwar nicht unfreundlich, aber irgendwie zerstreut. Sie drehte sich auch nicht um. Janisse betrachtete ihren aufblitzenden Ohrring. Er hatte die Farbe von Blut, wie die Sonne.
Die viel befahrene Straße, der sie aus dem Tiefland folgten, führte nun ins Gebirge und war zu beiden Seiten unregelmäßig mit Bäumen bewachsen. Am violettfarbenen Himmel kreisten Falken.
Janisse beobachtete ihren Flug mit kurzer Wehmut. Das Pferd unter ihr war stark und möglicherweise in dieser Gegend gezüchtet worden. Sie konnte seine Gegenwart ebenso unterschwellig und deutlich spüren wie den blauen Matrixstein, der auf ihrem Brustbein lag.
Ich bin eine Comyn.
Selbst wenn Janisse Ridenow eine sanfte alte Stute ritt: die Empfindung, von Comyn umgeben zu sein, würde nie nachlassen.
Bethan unternahm einen Versuch, ihren Bruder in ein Gespräch zu verwickeln. »Hast du schon die Nachrichten aus Caer Donn gehört?«, fragte er. »Von diesen Fremden? Wie heißen sie gerade noch? Terraner?«
»Ja, habe ich, aber nur vage.« Erlends Antwort kam automatisch.
»Sie sollen angeblich von den Sternen herabgekommen sein.
Glaubst du das?«
»Das weiß nur Zandru. Könnte aber sein. Ich habe gehört, dass Sterne nur weit entfernte Sonnen sind, wie unsere eigene. Sie sehen nur so klein aus, weil sie so weit fort sind.«
»Pah … !« Bethan machte eine abfällige Geste mit der Hand. »Ich weiß nicht, was ich davon halten soll, mein Freund.«
»Ich glaube es«, sagte Janisse. »Mir fällt ein, dass Lerrys gesagt hat, dass es wirklich stimmt, also glaube ich es auch.«
Erlends schmerzerfüllte braune Augen maßen sie zwar mit einem durchdringenden Blick, aber er versuchte dabei ein Lächeln. »Du glaubst auch alles, was Lerrys Aillard dir erzählt, Breda.«
»Nicht alles!« Janisses Wangen wurden dunkelrot. »Ich weiß einfach, dass er in diesem Fall Recht hat.«
»Ach, Lerrys, Lerrys«, sagte Bethan seufzend. »Lerrys müsste es aber eigentlich wissen. Der Bewahrer von Neskaya würde doch einem Angehörigen seines Kreises keine Lügengeschichten erzählen.«
»Ich gehöre seinem Kreis nicht mehr an.«
Bethan musterte das plötzlich ernstlich bleiche Gesicht der jungen Frau und glaubte, den Grund dafür zu kennen.
»Wann seid Ihr ausgeschieden, Damisela?«, fragte er freundlich.
»Ich kann mich gar nicht daran erinnern, davon gehört zu haben …«
»Im vergangenen Frühjahr. Mein Vater … hat mich hier gebraucht, und ich …«
Erlend verfinsterte sich bei ihren Worten, und Janisse hätte wegen ihrer Sorglosigkeit beinahe aufgekeucht. Dom Valentin durfte nämlich nie erwähnt werden, es sei denn, man wollte Erlend für den Rest des Tages unbedingt in noch schlimmere Depressionen versetzen.
Und tatsächlich, als sie ihren Bruder erschreckt anschaute, trat ein feuchtes Glitzern in seine Augen. Sein Gesicht blieb jedoch stoisch und reglos. Er wandte sich wortlos von ihnen ab und gab seinem Reittier die Sporen. Geschmeidig und hager preschte er voraus, ohne dass man seine Behinderung bemerkte.
»Cassilda, unterstütze ihn …«, murmelte Bethan, der ebenfalls das Gefühl hatte, zu viel gesagt zu haben. Janisse und er verfielen in ein unbehagliches
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