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Die Schwesternschaft des Schwertes - 8

Die Schwesternschaft des Schwertes - 8

Titel: Die Schwesternschaft des Schwertes - 8 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer-Bradley
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Worten.
    Wenn es Mama wirklich wichtig gewesen wäre, hätte es sie nicht interessiert, was ihr Vater wollte. Dann ging die schwere Tür wieder zu, und sie saß allein im Dunkeln und hatte nur den Becher als Gesellschaft.
    Das Mädchen schüttelte sich in Panik. Der Geruch des widerlichen Zeugs verursachte ihr Kopfschmerzen, und dabei hatte sie noch keinen Tropfen getrunken. Ach, gnädige Avarra, wie trocken ihre Mundhöhle war. Selbst wenn es sie krank machte, das Kirian würde zumindest ihren Durst löschen. Vielleicht ließ es sie auch einschlafen, wie beim letzten Mal. Vielleicht sahen sie dann ein, dass es nichts nützte, und gaben die Folter auf. Sie glaubten nämlich fälschlicherweise, dass ihre Tochter sich nur vor einem fürchtete: dass ihr Laran ausschlug.
    Natürlich wusste Larissa es inzwischen besser! Jeder andere in der großen Familie Sisberto verfügte über Laran, und niemand hatte mehr als ihre rothaarige Schwester Shazel, die nun in einem Turm ausgebildet wurde. Egal was Larissa auch machte, Shazel machte es immer zuerst und besser. Larissa neidete ihrer Schwester zwar nichts und schmollte auch nicht, weil ihr Haar nur ein dunkles Rotbraun zeigte, aber war es etwa zu viel, wenn sie von ihren Eltern verlangte, dass die beiden auch sie liebten? Doch als sie kurz nach ihrem vierzehnten Geburtstag zur Frau geworden war und noch immer kein Laran gehabt hatte, keine telepathischen Kräfte irgendwelcher Art, hatte sie gewusst, dass es hoffnungslos war.
    Immerhin hatte Dom Moran den Ehrgeiz, durch Heirat und andere Mittel eine große Macht in diesem Land zu werden. Die Gabe der Vorausschau war in einem Krieg unbezahlbar. Deswegen hatten ihre anderen Schwestern, die über dieses Talent verfügten, problemlos edle Gatten gefunden. Shazel würde vielleicht sogar Bewahrerin werden. Nur sie blieb übrig, wertlos wie immer. Trotz der mit aller Sorgfalt und jahrelanger Erfahreng im Turm vorgenommenen Untersuchung und Beurteilung durch eine angereiste Leronis war Dom Moran überzeugt, dass Larissa ihre Kräfte aus purem Trotz nicht zeigen wollte, egal in welch liebevolle Lügen er sie auch einwickelte. Ihre Mutter Clarinna war zu erschöpft, um sich einzumischen. Larissa hatte wenig Grund, zukünftig auf bessere Behandlung zu hoffen. Ihr Vetter Robard, der ihr angeblich als Gatte versprochen war, hatte auf Grund ihrer offensichtlichen Mängel schon doppelt so viel Mitgift verlangt, wie ihre anderen Schwestern bekommen hatten.
    Die Dunkelheit bedrückte sie. Hier drin konnte sie nicht nachdenken. Sie war nicht gern eingesperrt. Warum verstand ihr Vater nicht, wie sehr es sie nach Freiheit verlangte? Warum quälte er sie so? Sie bedeckte die Augen mit den Händen. Es half. Wenn sie es so machte, konnte sie tun, als spiele sie Verstecken.
    Aber es half nur für eine Weile. Sie seufzte, dann trank sie das Kirian mit mehreren Schlucken. In ihrem Kopf drehte sich bald alles, wie schon zuvor, nur glaubte sie, diesmal würde es nie wieder aufhören. Die Dunkelheit rings um sie herum wurde noch dichter.
    Der Sternenstein fühlte sich in ihren Händen kalt und leblos an, wie immer, doch diesmal erstrahlte er in eigenem Licht.
    Obwohl er keine Macht hatte, stellte sie sich vor, er sei der Himmel und dass sie sich unter ihm befand, nicht hilflos von der eigenen Familie in einen Käfig gesperrt. Er war der Himmel, und sie war frei
    …
    Das Kirian hatte sie wahrscheinlich einschlafen und träumen lassen, denn nun sah es so aus, als schwebe sie durch die Mauern der kleinen Burg in den Bergen, die ihr Zuhause war. Alles wirkte irgendwie anders, aber was sich genau verändert hatte, konnte sie nicht sagen. Als sie an der Speisekammer vorbeikam, erblickte Larissa zwei Gestalten - die eine ein zerlumpter Adeliger, der an den Fingernägeln kaute und sich fragte, wie er die anderen im Winter ernähren sollte; die andere eine alte, kranke Frau, die ihm nach bestem Ermessen Trost spendete. Nein, das konnten doch nicht ihre Eltern sein! Ihre Eltern waren doch grausame, herzlose Menschen, denen nichts mehr Freude bereitete, als ihr wehzutun! Dieser Teil des Traums gefiel ihr ganz und gar nicht.
    Sie floh durch ein Fenster. Solange sie sich einreden konnte, Schwingen zu haben, konnte sie auch dorthin gehen, wo es ihr gefiel. Ah, das war schon besser. Sie schwebte über dem schneebedeckten Land dahin und kicherte, denn die weich fallenden Flocken kitzelten ihre nackten Zehen. Dann folgte Larissa dem Verlauf des kleinen Flusses, der neben

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