Die Séance
Florida. Hoch auf den Dachboden und runter in den Keller zu steigen war ziemlich überwältigend gewesen. Wieso, fragte sie sich, war ihr gar nicht klar gewesen, was für Zeugs sie dort alles vorfinden würde? Trotzdem hatte es noch jede Menge Platz für ihre Kisten gegeben. Mit der Zeit, versprach sie sich, würde sie sich alles, was da noch lagerte, in Ruhe ansehen.
Sie setzte sich an das Klavier im Salon, fühlte sich augenblicklich beschwingter, spielte den Jingle für sich selbst noch einmal durch. Sie freute sich darauf, den Klang von Allison Chesneys Stimme in die Melodie einzubinden, als es auch schon an der Tür klingelte.
Wie sie es versprochen hatte, blickte sie zuerst durch den Spion, ehe sie die Tür öffnete. Draußen stand eine hübsche Frau mit brünettem Haar und blitzenden braunen Augen. Sobald Christina die Tür geöffnet hatte, streckte sie eine Hand aus und lächelte schüchtern. “Christina? Ich bin Allison.”
“Hi, schön, Sie zu sehen. Kommen Sie rein.”
“Ist das Ihr Haus?”, sagte Allison bewundernd, als sie hereinkam.
“Ja.”
“Es ist fantastisch.”
“Vielen Dank. Es gehört seit Langem meiner Familie”, erwiderte Christina. “Kann ich Ihnen etwas bringen, bevor wir anfangen? Tee? Kaffee? Wasser?”
“Wasser wäre toll, danke.”
“Machen Sie es sich im Salon bequem.” Christina zeigte ihr den Weg.
Sie holte eine Flasche Wasser aus der Küche, und als sie damit zurückkehrte, stand Allison neben dem Klavier und sah durchs Fenster hinaus auf die Bucht.
“Der Blick ist wirklich spektakulär”, sagte Allison. “Ich bin in genau so einem Haus aufgewachsen.”
“Wirklich? Woher stammen Sie denn?”
“Aus der Gegend von Gainesville.”
“Da ist es wirklich ziemlich hübsch.”
Allison lachte. “Aber ziemlich ruhig.”
“So ruhig bestimmt auch wieder nicht. Ist doch eine Universitätsstadt”, meinte Christina.
“Ja, aber damit hat es sich auch schon. Wenigstens ist es in der Nähe von der ganzen Action hier. Na ja, Action à la Florida zumindest. Als Kind dachte ich, ich wäre so gut, dass ich in null Komma nichts eine große Nummer in New York werden würde”, sagte sie bedauernd. “Aber so ist es leider nicht gekommen.”
“Machen Sie sich nicht selbst schlecht. Ich habe mir Ihr Demoband angehört”, sagte Christina. “Sie sind wirklich gut.” Sie setzte sich ans Klavier und erwiderte ihr Lächeln. “Oder wollten Sie mir damit sagen, für einen Werbejingle zu singen, wäre für sie unter ihrer Würde?”
“Oh, großer Gott, nein!”, sagte Allison. “Überhaupt nicht. Es ist bloß … na ja, ich schätze, es ist dieses Haus, und, ganz ehrlich, Sie. Wie alt sind Sie? So um die Fünfundzwanzig?”
“Genau getroffen.”
“Und Sie sind so erfolgreich”, murmelte Allison.
“Ich kann die Rechnungen bezahlen”, sagte Christina und lächelte die junge Frau an.
“Wollten Sie je große Opern oder so was komponieren?”, fragte Allison, frei heraus und neugierig.
“Nee. Ich hab immer gern kleine Sachen geschrieben. Muss an meiner irischen Herkunft liegen”, meinte sie trocken. “Ganz ehrlich, ich hatte einfach Glück mit meinem ersten Jingle und habe einen guten Agenten gefunden. Aber mein Cousin Dan ist Schauspieler, und der versucht immer noch, endlich den großen Durchbruch zu schaffen. Oder, na ja, wenigstens einen kleinen.”
“Wirklich?”
“Er ist ein paar Jahre älter als ich, und er ist in ein paar tollen Shows aufgetreten, aber Sie wissen, wie das ist. Immer, wenn ein Job vorbei ist, sucht man schon den nächsten. Im Augenblick spielt er den Waschbär Ralph in dem neuen Themenpark, aber man hat ihm eine Hauptrolle in der nächsten großen Show versprochen, also ist er gerade ganz hoffnungsvoll.”
“Cool”, sagte Allison, wirkte jetzt etwas entspannter.
“Also … bereit, anzufangen?”
“Kann ich es erst mal hören, wie Sie es selber singen? Nur um einen Eindruck davon zu kriegen, wie Sie es hören wollen?”
“Klar”, sagte Christina und sang: “Keep it off your hips, try our great new chips, Sanima’s is a trip if you’re looking for a chip.”
Allison lächelte breit, als sie zum Ende kam. “Cool”, sagte sie noch mal und entschuldigte sich sofort. “Tut mir leid. Ich hab schon noch ein paar andere Wörter in meinem Repertoire. Wirklich.”
“Kein Grund zur Sorge. Sie müssen in meiner Gegenwart nicht nervös sein.”
“Muss ich doch. Sie können mich feuern.”
“Ich sagte doch, ich mochte Ihr
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