Die Séance
grimmig, und sie wusste, warum. Er redete gelegentlich über seine verstorbene Frau, und manchmal lächelte er dabei oder lachte sogar, wenn er eine lustige Begebenheit erzählte, die sie gemeinsam erlebt hatten.
Aber er sprach niemals, unter keinen Umständen, über die Monate ihrer Krankheit oder gar über ihren Tod.
“Ich bin wirklich nicht sicher, ob du das Haus hier behalten solltest”, sagte er.
“Aber ich liebe das Haus.”
“Trotzdem bist du gefährlich nah dran, davon besessen zu werden. Von dem Haus selbst, von den guten und schlechten Erinnerungen, von den ganzen Jahren hier. Als ich Margaritte verlor, bin ich auch eine Weile in unserem Haus geblieben. Ich konnte mich von nichts trennen, das ihr gehört hatte. Sie haben mich sogar zu einem Polizeipsychologen geschickt. Irgendwann hab ich ihre Kleider der Wohlfahrt gespendet und nur ein paar besondere Erinnerungsstücke behalten. Und das Haus habe ich verkauft und bin umgezogen, denn das war die einzige Methode, um nicht verrückt zu werden.”
Sie sah ihn an und drückte tröstend seine Hand. Es gab so viele Phasen der Trauer: Schock, Unglauben, Zorn … nein, Wut. Dann, manchmal, Leere. Akzeptanz. Genug Zeit, um zu begreifen, dass man niemals ganz vergessen wird. Und dann … nicht Friede, wie manche meinten, aber zumindest Dankbarkeit für jene, die zu helfen versuchten, und über die Fähigkeit, wieder zu funktionieren und weiterzuleben, denn das gehörte irgendwie zum Überlebensinstinkt.
Aber sie hatte den Tod ihrer Großmutter längst akzeptiert. Granma hatte ein langes Leben gehabt, und alle Erinnerungen an ihre Großeltern waren gute Erinnerungen.
Falls das Haus überhaupt eine Persönlichkeit hatte, war es eine gute.
“Mir geht’s prima. Wirklich. Und ich liebe dieses Haus. Großmutter hat es mir hinterlassen, weil sie das wusste. Ich würde es nie verkaufen”, sagte sie zu ihm. “Aber danke für deine Anteilnahme.” Sie räusperte sich. Zu einem anderen Zeitpunkt in ihrem Leben, überlegte sie, wäre sie vielleicht entzückt gewesen, dass Jed Braden praktisch vor ihr kniete, aber dieser Augenblick war viel zu seltsam für so etwas. “Mir geht’s gut”, sagte sie und deutete an, dass sie gern wieder aufstehen würde. Er erhob sich zuerst, und weil er immer noch ihre Hand hielt, half er ihr hoch. “Möchtest du Kaffee? Oder etwas zu essen?”
Er schüttelte den Kopf. “Danke, nein. Ich muss los. Ich hab mir heute ein paar feste Termine gesetzt, aber ich bin nur einen Anruf entfernt, wenn du mich brauchst.”
Der hält mich wirklich für verrückt, dachte sie. Oder im Augenblick zumindest für emotional durch den Wind … wegen Großmutters Tod.
“Wir haben alle Zimmer gecheckt”, sagte sie. “Keiner da. Und, wie du gesagt hast, keiner bricht ein, nur um das Ouija-Brett woanders hinzulegen.”
Er lächelte etwas kläglich und streckte die Hand aus, um einen Grashalm aus ihrem Haar zu ziehen. “Ruf an, wenn du mich brauchst.”
“Sicher. Vielen Dank”, sagte sie und lächelte ihn an. Den Teufel werd ich tun, dachte sie im Stillen. Das verdammte Ouija-Brett hat sich bewegt!
Sie schaffte es, ihr Lächeln zu halten, als sie ihn zur Tür brachte.
“Christina”, begann er todernst, zögerte dann.
“Ich weiß. Da draußen läuft ein Mörder herum, der auf Rothaarige scharf ist. Ich schwöre, ich passe ganz besonders auf.”
“Draußen auf dem Rasen zu schlafen ist dabei nicht besonders hilfreich.”
“Ich hab nicht … Ach, egal. Kommt nicht wieder vor.”
“Ich bin wirklich für dich da, wenn du mich brauchst.”
“Klar”, sagte sie und dachte: In dich bin ich früher mal so verknallt gewesen, Kumpel.
Er war es immer noch wert, sich in ihn zu verknallen, das musste sie zugeben. Dass die Lebensumstände jetzt zusätzlich so viel Charakter in seine Gesichtszüge gemeißelt hatten, machte ihn zu einem ziemlich atemberaubenden Mann.
Dass er allerdings so von oben herab mit ihr sprach, war wie eine Ohrfeige, die einen schon aufwecken konnte.
“Danke, Jed. Vielen Dank. Ich rufe bestimmt an, wenn irgendwas ist – wenn ich wirklich ein Problem habe”, versicherte sie ihm, und da war nur ein Hauch von Kälte in ihrer Stimme.
Falls er das mitgekriegt hatte, ließ er sich nichts anmerken und ging seiner Wege.
Sie schloss die Tür, verriegelte sie und sah sich um. Das Haus war still. Dann schlug die alte Uhr plötzlich acht Uhr, und sie fuhr zusammen.
Mit einem irritierten Seufzen ging sie in die Küche zur
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