Die Sechzigjaehrige und der junge Mann
teilten sogar einen Mann miteinander. Sehr viel später zielte Terry noch einmal höher. Die Ehefrau eines Abgeordneten war ihre erste Wahl. Wie viele Gemeinsamkeiten kann es zwischen zwei Schwesternseelen geben, die beide von Amerika träumen. Siehst du, wie neidisch ich bin, als hätte Terry mir etwas weggenommen, was mir gehörte. Als sähe ich sie vor mir, mit ihrem wirren roten Haar und ihrem skandalös kurzen schwarzen Minirock. Warum jammerst du dauernd über die Ungerechtigkeit, die den Onirikern angetan wurde, nur weil ihr acht Jahre lang nicht publizieren durftet. Das ist doch nur eine Kopfgeburt. Du spielst gerne die Märtyrerin. Schließlich geht ein Mensch auch mal Kompromisse ein. Gib mir bitte eine Zigarette, auch wenn ich seit vier Jahren damit aufgehört habe. Diese Geschichte fängt an, mir auf die Nerven zu gehen. Wie großartig, dass ihr nicht solche Kompromisse machen müsst, jedenfalls nicht auf diese Art. Der Mann vor ihr zieht so etwas wie eine Grimasse, etwas zwischen Lächeln und Grinsen, wie einer, der weiß, was er weiß. Ich habe vor Kurzem in der Zeitschrift Panorama , diesem meterlangen Ding, du kennst sie ja, Dan Silviu Boerescu ist ihr Chefredakteur, jedenfalls habe ich dort vor ungefähr einer Woche Prosa von Daniel Bănulescu, Mihai Gălăţeanu und Răzvan Petrescu gelesen. Wenn ich sehe, was ihr Jungen da so schreibt, dann überkommt mich so eine Scham …Unglaublich, obwohl ich schon sechzig bin, nach der Klassifikation Goethes, der mit dreiundachtzig gestorbenist, an der Schwelle des beginnenden Alters, fühle ich einen Auftrieb durch all das Neue, Verrückte, Wagemutige, Freche, durch all das, was das Leben ausmacht, was erregt, was präsent und aktiv ist, durch diesen Raum, in dem die Drüsen ihren Spaß haben und die Freiheit beginnt. Im Vergleich mit euch scheint mir das, was ich schreibe, trotz des Applauses überholt, farblos, impotent. Woher kommt diese Diskrepanz zwischen den Stimuli meiner Wahrnehmung, die noch lebendig ist und sehr empfänglich für alle Launen dieser neuen, verwirrenden Sensibilität, und den Stimuli meines Ausdrucks, der mich zurückwirft auf eine altmodische Welt. Um die Frage einmal anders zu sehen: Ich erinnere mich, dass ich beim Lyrikfestival von Sighişoara in einer gotischen Kathedrale ein Orgelkonzert mit vorklassischer Musik hörte und dieser Vivaldi mich so aufwühlte, als hätte ich noch nie etwas gehört, was mir geistig so nahestand. Damals fragte ich mich, warum wir so aufnahmebereit für die Musik der alten Meister sind, heute aber niemand mehr wie sie komponieren würde. Sicher könnte Patapievici mir auf der Stelle eine Antwort geben, die mich so erschüttern würde wie Vivaldis Musik, aber ich verharre lieber in meinem Staunen. Du ahnst nicht, wie stark verwildert ich bin und wie schnell meinem Gehirn auf dem Karussell der Ideen schwindelig wird. Der Rückzug aus der Welt, vom ununterbrochenen Wettstreit der sich duellierenden Energien, wirft mich ganz hinunter auf den Boden der Reisetasche, wo sich die Essenzen der alten, geheimnisvollen Dinge sammeln, wo du den Anfang riechst und die Zukunft ahnst. Manchmal glaube ich, ich liebe nichts mehr als meine Einsamkeit. Siehst du, schon wieder bin ich ins Poetischegerutscht. Ein Glück, du lauschst diesem Gerede mit so viel Interesse, dass ich fast glaube, ich sei intelligent.
Und wieder der grüne Blick, in dem das Verständnis schläfrig stockt, und wieder die Hand, die auf dem Tisch bis zum Zigarettenpäckchen gleitet, es mir hinstreckt und mir Feuer gibt. Der grüne Blick ist überrascht, wahrscheinlich hat er in meinen Augen etwas Unbekanntes gesehen. Vielleicht lässt die Zigarette mich mondän wirken, vielleicht erkennt er hinter dieser Geste ein verdächtiges weibliches Dampfen. Wie kann man diese sich wiederholenden Regungen ein und derselben Farbe in Worten denken, wie viele Abstufungen kann die Erregung haben, wie viele Masken. Seine Pupillen weiten sich, pulsieren in meinen Pupillen, groß, penetrant, er verstellt mir das Licht, ich fühle, wie ich eintauche, wie ich mich mit einer grünen Aureole über dem Scheitel verdunkele.
Ich weiß nicht, ob Terry mich intelligent fand. Ich weiß nicht, ob ich sie dafür hielt. Das interessierte uns eigentlich nicht. Ich fühlte eine Art Eifersucht auf ihre Freundschaften mit all den Leuten, die sich so sehr von mir unterschieden. Es schien, als wären sie bewusst von ihr ausgesucht worden, um alle Stricke zu zerreißen, die uns
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