Die Seele der Elben
dich, erspare uns die komplette Litanei!«, rief Trurre plötzlich wieder lachend. »Es ist so ein schöner Tag, und wir haben alle noch viel zu tun.«
Der Schreiber lächelte mit Fältchen um seine Augen, und Vanandel nahm sich vor, ihn in einer ruhigen Stunde einmal richtig zu seinem Orden zu befragen.
Magister Davydd schlug mit einem lauten Knall sein Buch zu und sah missvergnügt in die Runde. »Was ist denn das hier für ein Lärm?«, fragte er und sandte einen strafenden Blick zu seinem Famulus.
»Magister, können wir uns jetzt vielleicht unterhalten?«, fragte Vanandel ungeduldig.
Der alte Magus nahm verlegen seinen Zwicker ab und begann ihn zu polieren. »Jederzeit, jederzeit, Prinzessin«, murmelte er. »Wir können nach nebenan gehen, damit der Bruder Schreiber ungestört seine Arbeit tun kann.«
Vanandel blickte ihn verblüfft an. Das war das erste Mal, dass sie Magister Davydd auf irgendjemanden Rücksicht nehmen sah. Und der kleine Schreibermönch nickte nur, als sei das ganz selbstverständlich und murmelte: »Danke. Könnte ich noch eine Tasse Tee haben?«
Also ging sie mit dem Magus hinüber in sein kleines Arbeitszimmer, wo sie sich etwas unbehaglich in den angebotenen Lehnstuhl setzte, während der Magister zwischen seinem schmalen Bett und dem übervollen Schreibtisch hin- und herging.
»Was ist nun mit meinem Imago?«, fragte Vanandel ungeduldig.
Der Magister blieb stehen und hielt ihr den silbernen Ring hin. Sie sah ihn fragend an, und er nickte.
»Ogami lednanav«, sagte sie und hauchte über den Ring. Einen Moment lang geschah gar nichts, und sie öffnete die Augen und sah sich enttäuscht um. Sie wollte sich gerade bei dem Magister beschweren, da legte er den Finger auf die Lippen und nickte beschwichtigend.
Vor ihr trübte sich die Luft, als hätte sich eine beschlagene Glasscheibe oder eine Nebelwand zwischen sie und den Magister geschoben. Ein Umriss erschien, flach zuerst und ohne feste Form. Er wurde gröÃer und zunehmend deutlicher. Ein Arm streckte sich ihr entgegen, grau und platt zuerst, dann an Dicke umd Festigkeit gewinnend und sich zuletzt mit Farbe bedeckend; eine Schulter und eine Locke dunklen Haars. Vanandel fühlte, wie ihr übel wurde, und schloss schnell die Augen. »Diesmal dauert es aber länger«, beklagte sie sich.
»Immerhin muss das Imago einiges mehr leisten als vorher«, erklärte der Magus leicht beleidigt. »Du kannst deine Augen jetzt übrigens öffnen.«
Sie musterte kritisch ihr Ebenbild. »Dreh dich«, befahl sie, und das Imago gehorchte. »Setz dich hin. Steh wieder auf. Lächle. Geh zur Tür.« Sie nickte befriedigt. »Sehr gut, Magister. Das sieht sehr gut aus.« Ihre Augen blitzten mutwillig. »Imago, geh hinüber, setz dich an den Tisch, warte, bis jemand etwas sagt, lächle und komm wieder her.«
»Nein, warte«, sagte der Magister, aber das Imago war schon durch die Tür geschritten. »Das war unvorsichtig von dir«, tadelte er. »Mein Famulus könnte etwas bemerken. Und was den Bruder Schreiber angeht â¦Â«
»Ich muss es schlieÃlich irgendwo ausprobieren«, sagte Vanandel praktisch. »Dein Famulus hat den Mund zu halten, und der Bruder Schreiber ist irgendwann wieder fort.«
»Auch wieder wahr«, murmelte der Magister und biss vor Nervosität in einen altbackenen Teekuchen, der auf seinem Bett gelegen hatte.
Die Tür klappte, und das Imago trat still ein. »Sehr gut«, sagte Vanandel atemlos. Sie umfasste das Handgelenk des Ebenbildes und lieà sich zeigen, was es nebenan gesehen hatte. Dann schüttelte sie kurz die Hand, als müsse sie etwas davonschleudern, riss den Ring von ihrem Daumen und das Imago verschwand.
»Ganz ordentlich«, sagte sie zum Magister. »Ich habe sehr viel genauere Eindrücke erhalten als früher. Und auch etwas gehört â ich konnte es bloà nicht verstehen. Trurre hat etwas zu dem Imago gesagt, aber es klang wie das Quietschen einer Maus.«
Der Magister knurrte unzufrieden. »Ich habe die Wiedergabe noch nicht so genau justieren können. Sie läuft entweder zu schnell oder zu langsam ab â es quietscht oder es brummt. Aber das müsste ich auch noch hinbekommen, wenn du mir ein wenig Zeit lässt.«
Vanandel nickte, nicht ganz zufrieden. »Die nächsten beiden Tage muss ich ohnehin selbst
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