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Die Seele der Nacht

Die Seele der Nacht

Titel: Die Seele der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Schweikert
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Gelichter fern«, grübelte er, »aber wozu dienen die merkwürdigen Instrumente?«
    Céredas hob die Schultern. »Die Musik verhindert, dass die Wächter einschlafen«, vermutete er.
    »Sie macht ihnen Mut«, sagte Tahâma.
    Aus dem großen Saal drang Gelächter. Dann erhoben sich ein paar Stimmen zu einem Lied, in das die anderen fröhlich einfielen.
    Es ist das erste Mal, dass ich die Nazagur singen und lachen höre, kam es Tahâma in den Sinn. Neugierig lugten die drei um die Ecke. Die Tische waren zu einem U zusammengerückt worden. Weiße Leintücher bedeckten das rohe Holz, Blumen und frischgrüne Weidenzweige wanden sich in Girlanden über die Tische und hingen in einem Bogen über dem Ehrenplatz. Dort, in der Mitte, saßen die Braut und der Bräutigam. Sie war mittelgroß, das breite Gesicht strahlte vor Glück. Ein frischgrüner Kranz zierte ihr hellbraunes Haar, das ihr offen auf den Rücken fiel. Sie trug ein weißes Hemd mit einem dunkelblauen, eng geschnürten Mieder darüber. Darunter bauschte sich der hellgraue Rock bis über ihre Füße. Um ihren gebräunten Hals hing eine einfache goldene Kette mit einem kleinen blassblauen Stein. Der Bräutigam hatte einen braunen Rock über sein Hemd gezogen, die schwarzen Hosen reichten bis über die Knie. Darunter sah man helle Strümpfe und flache braune Lederschuhe mit silbernen Schnallen. Fünf Dutzend Gäste, die mehr oder weniger fein herausgeputzt waren, zählte Tahâma.
    Drüben an der Stiege zum Dachboden standen zwei Spielleute, die nun kräftig in die Saiten schlugen. Nun zog der Jüngere eine gebogene Flöte hervor und begann eine liebliche Weise zu spielen. Der Bräutigam verbeugte sich vor seinem jungen Weib und führte es um den Tisch herum in die Mitte des Saals. Sofort wurden die Tonfolgen schneller. Er nahm ihre Hände und drehte sie in einer sich wiederholenden Schrittfolge im Kreis. Die Gäste klatschten rhythmisch. Auch Céredas und Tahâma fielen mit ein.
    Da legte sich eine zierliche Hand auf die Schulter des Mädchens. So lange Zeit nicht mehr vernommene Worte streiften ihr Ohr. Ihr Herz verfiel in einen noch schnelleren Rhythmus als die Flöte. Mit einem Ruck fuhr sie herum. Ihr Blick versank in saphirblauen Augen, huschte über weiße Haut, liebkoste die spitz zulaufenden Ohren und das prächtige blaue Haar.
    »Lonathâ«, hauchte sie, »meine Schwester! Endlich ist meine Suche zu Ende.«
    »Tahâma!« Die blauen Augen leuchteten. »Ich erfuhr am Tor, dass du angekommen bist, aber ich wollte es nicht glauben, bis ich deine Stimme mit eigenen Ohren hörte. Wo ist Rothâo? Wo ist der Vater der Melodie? Ist er immer noch nicht vom Elfenbeinturm zurückgekehrt?«
    Ein Schatten verdüsterte Tahâmas Gemüt. »Doch, ich habe gewartet, bis Vater von seiner Mission zurückkam, aber das Gift eines Mordolocs hat ihm sein Leben geraubt. Im Scheiterhaufen seines Hauses ist sein Leib verglüht.«
    Lonathâ riss die Augen auf. »Mordoloc? Scheiterhaufen?«, stöhnte sie. »Nichts ist mehr, wie es war, seit die Tashan Gonar ihr Land verlassen haben.« Sie führte die drei Freunde zu einem Tisch an der Wand, auf dem die Gäste ihre Präsente für das junge Paar abgelegt hatten, dann eilte sie davon, um ein paar Becher Beerenwein zu holen.
    Inzwischen tanzten auch die Gäste ausgelassen, und der Lärm war zu einem Tosen angeschwollen, der die Musik fast übertönte. Bald kam Lonathâ zurück, im Schlepptau einen jungen Mann, der sich vor den Fremden höflich verbeugte. »Das ist Andrejow, mein lieber Gatte«, stellte sie ihn vor und sah Tahâma gespannt an. »Seine Familie kommt aus einem Land im Westen.«
    »Und Ihr seid also Tahâma, die meiner Frau stets geliebte Freundin war, mehr noch, eine Schwester, wie sie sagt.« Er verbeugte sich noch einmal und griff nach Tahâmas Hand. »Darf ich Euch zum Tanz führen?«
    Das Mädchen warf der Freundin einen Hilfe suchenden Blick zu, doch Lonathâ lachte sie nur an. Schon hatte der junge Mann sie zwischen die fliegenden Röcke gezogen. Eine Hand fest um ihre Taille gelegt, wirbelte er herum, dass ihre Tunika flatterte und in wechselnden Blautönen glänzte. Er sah sie aus seinen tiefschwarzen Augen an, und Tahâma wusste, warum Lonathâ diesem Blick erlegen war. Seine ganze Erscheinung konnte ein Herz aus dem Rhythmus bringen: die große Gestalt, die sie mehr als einen Kopf überragte, das schmale ebenmäßige Gesicht, die blasse Haut, das dichte schwarze Haar. Er wirkte seltsam fehl am Platz in dieser

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