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Die Seele der Nacht

Die Seele der Nacht

Titel: Die Seele der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Schweikert
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hochmütigen Blick zu, doch der schüttelte nur ungläubig den Kopf. »Du glaubst mir nicht? Nun, dann bringt uns zu eurem Weisen! Er wird euch sagen, wen ihr seiner Freiheit beraubt habt!«
    Der Griff auf ihrer Schulter lockerte sieh. »Ihr wisst genau, dass ich den Weisen um diese Uhrzeit nicht stören kann«, sagte er, aber seine Miene verriet, dass er unsicher geworden war.
    Tahâma zuckte mit den Schultern. »Großvater braucht seinen Schlaf, sicher. Aber dieses Missverständnis muss auf der Stelle aufgeklärt werden, und das ist Rechtfertigung genug, ihn zu wecken. Schließlich sitzt unser Freund unschuldig im Kerker!« Ihre Stimme klang fest, in ihrem Herzen jedoch nagte der Zweifel. Konnte es sein, dass Céredas die Spiegel neugierig untersucht und aus Versehen verdreht hatte? Oder war er vielleicht nur aus Zufall zur falschen Zeit am falschen Ort gewesen?
    Die Wächter zögerten noch immer, endlich aber deutete Ivran eine Verbeugung an. »Ich bitte Euch, uns zum Palast zu folgen. Man wird dort sicher ein angemessenes Gemach für Euch und Euren kleinen Begleiter finden.« Er warf Wurgluck einen misstrauischen Blick zu. »Und morgen werde ich dem Weisen Bericht erstatten.«
    Tahâma nickte hoheitsvoll und ging neben dem Wächter her, der es nun vermied, sie auch nur aus Versehen zu berühren. Sie war fest entschlossen, noch in dieser Nacht die Wahrheit herauszufinden. Vielleicht würde sich eine Gelegenheit bieten, mit Céredas zu sprechen, wenn sie sich schon bis zum Morgen gedulden musste, ehe der Großvater von diesem Missverständnis erfuhr.
    Falls es tatsächlich ein Missverständnis ist, erklang eine gehässige Stimme in ihrem Kopf, die sich nicht zum Schweigen bringen lassen wollte.
    Durch ein Gewirr von Gassen brachten die Wächter sie zum großen Platz unter der Felswand und führten sie die Stufen hinauf zu den blauen Toren. Ivran klopfte zaghaft, und sofort öffnete sich ein schmales Fenster neben der Tür. Er trat zu der Öffnung und wechselte mit der im Schatten verborgenen Gestalt ein paar leise Worte, die Tahâma nicht verstehen konnte. Dann kam er zu ihnen zurück. Kurz darauf erklangen drinnen Schritte, ein Riegel wurde zurückgeschoben, und ein Torflügel schwang auf. Die beiden Torwächter verbeugten sich knapp und forderten Tahâma und Wurgluck auf einzutreten, ehe sie sich auf den Rückweg zu ihrem Posten aufmachten.
    Das Mädchen und der Erdgnom wurden von vier hochgewachsenen Männern mit ernsten, schmalen Gesichtern in Empfang genommen. Ihre Haut hob sich blass gegen die blau glänzende Uniform mit dem silbernen Kragen ab. An ihrer Seite steckten breite, gebogene Klingen in verzierten Scheiden. Zwei Palastwächter blieben an der Tür stehen, die beiden anderen nahmen Tahâma und Wurgluck in ihre Mitte und führten sie durch die Halle. Staunend sah sich Tahâma um. Am Rand überspannte eine kunstvoll bemalte Holzdecke, die die umlaufende Galerie im ersten Stock trug, den Raum, doch in der Mitte, wo eine breite Treppe nach oben führte, konnte man bis hinauf zum Dach sehen, das sich mehr als zwanzig Schritte über ihnen wölbte. Draußen hatten die flach geneigten Platten blau geschimmert, hier drinnen jedoch sah Tahâma entzückt, dass sie gläsern waren und man bis in den sternbesetzten Nachthimmel hinaufsehen konnte. Die Geländer an beiden Seiten der schwarz glänzenden Stufen waren aus feinen Silberarbeiten. Sie konnte sich nicht vorstellen, dass es unter diesem Volk von Bauern und einfachen Handwerkern Silberschmiede gab, die solche Kostbarkeiten anfertigen konnten.
    Gern wäre sie am Fuß der Treppe noch eine Weile stehen geblieben und hätte in den Sternenhimmel hinaufgesehen, doch der Wächter an ihrer Seite forderte sie höflich, aber bestimmt auf, ihm zu folgen. Sie wurden in ein Zimmer im unteren Stock geführt, das direkt an die Felswand gebaut sein musste und daher kein Fenster besaß. Dieser üppig eingerichtete Raum, dachte Tahâma, diente sicher nicht dazu, Gefangene zu beherbergen. Es gab zwei weiche Diwane, mit goldenen, geschwungenen Füßen und roten Samtkissen, einen zierlichen Tisch und vier Scherenstühle, eine Kommode und darüber einen ovalen Spiegel an der Wand. Der Boden war mit grünlichem Stein belegt, an zwei Wänden hingen Teppiche. Die Wand rechts der Tür zierte ein offener Kamin, der jetzt jedoch kalt war.
    Ein Palastdiener in einem blausilbrig geviertelten Rock und engen Beinkleidern brachte ein Tablett herein und stellte es auf dem Tisch ab. Verwundert

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