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Die Seele der Nacht

Die Seele der Nacht

Titel: Die Seele der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Schweikert
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zur Mauer zurück. Sie gingen an ihrem Fuß entlang, bis sie an die Felswand stießen und sich vor ihnen der Platz mit dem Palast und den beiden Brunnen öffnete. Sanfte Harfentöne erfüllten die Luft.
    »Was machen wir nun?«, fragte der Erdgnom leise. »Meinst du, es hat Sinn, weiter kreuz und quer durch die Gassen zu laufen?«
    Tahâma seufzte. »So schwer es mir fällt, das zu sagen: Nein, ich glaube nicht, dass uns das weiterbringt. Uns bleibt nichts anderes übrig, als die Wächter am Tor zu fragen, auch wenn wir Gefahr laufen, von ihnen zum Gästehaus zurückgeschleppt zu werden.«
    Die beiden Wächter, die sich an einem der Feuerkörbe einen Krug mit Kräutermet wärmten, waren mehr erstaunt als ärgerlich, als die beiden ungleichen Gestalten auf sie zukamen und sie um Rat fragten, dennoch merkten Tahâma und Wurgluck schnell, dass sie sich streng an ihre Vorschriften halten würden. Ihren drängenden Bitten und Fragen schenkten sie kaum Aufmerksamkeit. Stattdessen riefen sie zwei weitere Wächter vom Wehrgang herab, die das Tor bewachen sollten, während sie die beiden nächtlichen Ausreißer zu ihrem Quartier zurückbringen wollten.
    »Egal, was eure Gründe sein mögen«, schnitt ihr einer der Wächter das Wort ab, »ihr verstoßt gegen die Gesetze des Weisen, und unsere Aufgabe ist es sicherzustellen, dass seine Anweisungen befolgt werden.« Er war ein großer, kräftiger Kerl mit grimmigen Gesichtszügen, die keinen Zweifel erlaubten, dass Bitten und Flehen bei ihm vergeblich wären. Seine Hand legte sich schwer auf Tahâmas Schulter und schob sie über den Platz, auf die Gasse zu, die sie am Nachmittag in Begleitung des Knaben schon einmal durchschritten hatten.
    Der zweite Wächter, der eine Fackel trug, folgte dicht hinter Wurgluck. »Der Weise ist unser aller Vater, der uns beschützt«, fügte er hinzu. »Er schenkt uns sein Feuer und vertraut darauf, dass während der Zeit unserer Wache nichts geschieht, was seinen Bürgern schaden könnte.« Seine Augen verengten sich. »Und ich schwöre, während meiner Dienstzeit wird sich solch eine Ungeheuerlichkeit nicht wiederholen! Gleich als der Klang der Harfen verstummte, hätte ich ahnen müssen, dass heute etwas Schreckliches passieren würde!«
    »Was ist denn geschehen?«, fragte Wurgluck und tauschte mit Tahâma einen Blick.
    »Zwei der Spiegel wurden verdreht und damit der Feuerring unterbrochen. So konnte er in die Stadt eindringen«, antwortete der jüngere Wächter und zuckte zusammen, als ob ihn noch bei der Erinnerung ein Schauder überliefe. »Ich will mir lieber nicht vorstellen, was noch alles hätte passieren können, wenn der Weise nicht eingeschritten wäre.«
    »Aber der Weise hat den Saboteur gefasst und in den Kerker bringen lassen, während er selbst dem Schattenlord folgte und ihn vertrieb – rechtzeitig, bevor der Schattenlord eines seiner Opfer ins Verderben stürzen konnte«, ergänzte der andere.
    Von einer bösen Ahnung gepackt, erkundigte sich Tahâma zaghaft nach dem Übeltäter, den der Weise ergriffen hatte.
    »Ein Fremder«, antwortete der junge Wächter hinter Wurgluck bereitwillig. »Er ist heute erst in die Stadt gekommen. Ein junger Mann mit schwarzem Haar. Er reiste ...«Den Mund noch geöffnet, verstummte er und blieb stehen.
    »Was ist, Svenjow?«, fragte der andere, der seine Hand noch immer auf Tahâmas Schulter hatte.
    »Ich – ich habe gehört, dass der Attentäter mit einer blauhaarigen Frau und einem komischen kleinen Kauz heute in die Stadt gekommen sei«, stotterte der junge Mann und starrte Tahâma und den Gnom abwechselnd an.
    Céredas ein Saboteur, der dem Schattenlord in die Hände spielt?, dachte Tahâma voller Entsetzen. Das konnte nicht sein! Für einige Augenblicke standen alle vier wie erstarrt in der nächtlichen Gasse. Nur die Fackel zischte ab und zu leise.
    »Ivran, was machen wir jetzt?«, fragte der junge Wächter, ohne seinen Blick von Tahâma und dem Gnom zu wenden.
    »Wir bringen sie in den Palast. Dort mögen sie im Verlies warten, bis der Weise über ihr Schicksal entscheidet.«
    »0 nein!«, begehrte Tahâma auf und schüttelte die Lähmung ab, die sie ergriffen hatte. »Ihr solltet uns in kein Verlies bringen, wenn ihr nicht in ernsthafte Schwierigkeiten geraten wollt.«
    Die beiden Wächter tauschten einen überraschten Blick.
    »Centhân da Senetas wäre sicher nicht erfreut, wenn seine Enkeltochter in einen Kerker gesperrt würde!« Sie reckte sich und warf Ivran einen

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