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Die Seele der Nacht

Die Seele der Nacht

Titel: Die Seele der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Schweikert
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besiegt?« Centhän schüttelte den Kopf. »Rothâo hat nicht auf seine Macht vertraut. Zweifel, ja, das war seit den frühen Zeiten sein Fehler. Zweifel, Unentschlossenheit und Verzagen.« Er hielt einen Moment inne. »Vielleicht habe ich mich geirrt, und er hat meine Begabung nicht geerbt.« Sein Blick kehrte aus der Vergangenheit zurück und richtete sich wieder auf Tahâma.
    »Du bist also seine Tochter«, stellte er fest und sah sie aufmerksam an. »Sehr ähnlich siehst du ihm nicht«, murmelte er dann, und es klang fast wie ein Vorwurf.
    »Tahâma ist mein Name«, sagte sie, aber er schien ihr nicht zuzuhören. Unverwandt blickte er sie an. »Was ist deine Begabung?«, fragte er streng. »Die Harmonie, die Melodie oder der Rhythmus?«
    »Die Melodie«, antwortete Tahâma. »Wie sollte es anders sein? War es in unserer Familie nicht immer so?«
    Centhân begann zu singen und brach dann mitten in einer Tonfolge ab. »Sing weiter!«, forderte er Tahâma auf.
    Sie wollte ihm nicht gehorchen, stellte das Mädchen erstaunt fest, aber sie konnte ihm keinen Widerstand leisten. Sie begann zu singen. Es war das Lied ihrer Familie, ihres Vaters, das nun schön und doch voller Trauer den Raum erfüllte. Die letzten Töne waren noch nicht verklungen, da stiegen Centhäns Harmonien auf, gefolgt von einer Melodie in rasch wechselndem Rhythmus. Tahâma wehrte sich gegen die fremde Kraft, die sie zu beherrschen suchte. Sie presste die Lippen zusammen und sah den Großvater trotzig an. Die Musik verklang. Einige Augenblicke starrten sie sich schweigend an.
    »Komm mit mir in mein Haus und erzähle mir von meinem Sohn«, brach Centhân die Stille.
    »Gern, Großvater, aber zuerst muss ich meinen Freund wiederfinden, der verschwunden ist.«
    »Noch ein Erdgnom?«, fragte er und deutete auf Wurgluck, der mit verschränkten Armen neben Tahâma stand.
    »Nein, ein Jäger aus dem schwarzen Felsengebirge.«
    Wieder schien sich sein Blick tief in sie hineinzubohren. »Es ist spät. Niemand sollte sich zu dieser Stunde noch auf den Gassen herumtreiben. Wenn du jetzt nicht mitkommen willst, dann bleibe hier im Gästehaus. Ich lasse dich morgen von einem Stadtwächter holen.« Centhân da Senetas drehte sich um und stieg langsam die Treppe hinunter.
    Von unten waren Stimmen zu hören, offenbar von den Stadtwächtern, die ihn nun zu seinem Palast zurückbegleiteten. Wurgluck und Tahâma sahen sich an.
    »Wir können nicht einfach schlafen gehen, solange wir nicht wissen, was aus Céredas geworden ist.«
    »Du hast Recht«, antwortete der Erdgnom, »und außerdem würde mich interessieren, wie der finstere Lord überhaupt in die Stadt gekommen ist. Schließlich preist im ganzen Land jeder den Weisen und das blaue Feuer, das der Lord und seine Schatten angeblich nicht überwinden können.«
    Tahâma hob ihren Stab. »Gehen wir!«
    So leise wie möglich, um von der Wirtin nicht bemerkt zu werden, schlichen sie die Treppe hinunter. Langsam zogen sie die Tür auf, schlüpften hindurch und ließen sie lautlos wieder ins Schloss gleiten. Der Platz und die Gassen lagen dunkel und verlassen vor ihnen. Die beiden Monde spendeten etwas Licht, konnten aber die Schatten der eng beieinander stehenden Häuser nicht verdrängen. Die Felswand zu ihrer Linken schimmerte noch immer im Licht der blauen Flammen, die auch über dem Ring der Stadtmauer in einem lückenlosen Band leuchteten. Wo sollten sie Céredas suchen? Furcht kroch in Tahâmas Herz. War er dem Schattenlord begegnet, ehe der den Weg ins Gästehaus gefunden hatte? War der Jäger dem grausamen Herrscher zum Opfer gefallen? Hätte dann aber ihr Großvater nicht davon wissen müssen, versuchte Tahâma ihre Angst zu beschwichtigen.
    »Vielleicht hat die Leiche noch niemand entdeckt«, murmelte Wurgluck.
    »O bitte, sag so etwas nicht«, wehrte Tahâma ab. »Noch gibt es Hoffnung, oder etwa nicht?«
    »Es gibt immer Hoffnung.«
    Der Gnom trippelte voran. Als Erstes lugte er in den Turm, unter dem die verborgene Tür in den Stadtgraben hinausführte, aber die war nun verschlossen. Dann folgten die beiden Freunde dem Ring der Mauer bis zum großen Stadttor.
    Sie sahen die Umrisse der Wächter auf den Zinnen, hier unten jedoch war kein Lebewesen unterwegs. Nicht einmal eine Katze kreuzte ihren Weg. Am Tor brannten auf beiden Seiten Feuer in eisernen Körben, daneben standen weitere Wächter. Tahâma und Wurgluck umrundeten den Platz im Schutz der Häuser, dann kehrten sie auf der anderen Seite des Tores

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