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Die Seele der Nacht

Die Seele der Nacht

Titel: Die Seele der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Schweikert
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betrachtete das Mädchen den dreiarmigen, silbernen Leuchter mit den schlanken Kerzen, eine Kristallkaraffe mit Wein, zwei edle Gläser und einen Teller mit Kuchen, Pasteten und Früchten. Der Mann verbeugte sich und verließ dann rückwärts gehend den Raum.
    »Verzeiht, aber wir müssen Euch einschließen«, sagte einer der Wächter. »Ich selbst werde vor Eurem Gemach Wache halten, bis der Weise bereit ist, Euch zu empfangen.« Er nickte ihnen zu, schloss leise die Tür und drehte den Schlüssel herum.
    »So, da sitzen wir nun«, brummte Wurgluck, nahm sich eine lange Traube blutroter Beeren und setzte sich mit verschränkten Beinen auf das Fell eines grauen Wolfes vor dem Kamin. Seine Augen huschten immer wieder zu Tahâma hinüber, die mit verschlossener Miene unruhig auf und ab schritt. Er hörte sie vor sich hin murmeln. Nur ab und zu konnte er ein paar Wortfetzen verstehen.
    »Das kann nicht sein«, flüsterte sie, und dann: »Was wird er mit ihm machen?«
    »Setz dich und iss von diesen köstlichen Früchten«, sagte der Erdgnom.
    Tahâma hielt in ihrer Wanderung inne und funkelte Wurgluck an. »Wie kannst du genüsslich schmausen, während Céredas unter falscher Beschuldigung im Kerker sitzt, ein schreckliches Urteil vor Augen!«
    »Erstens können wir jetzt nichts für ihn tun, zweitens hat er nichts davon, wenn wir auf diese Köstlichkeiten verzichten, und drittens« – er machte eine Pause und seufzte –, »drittens wissen wir nicht, ob er wirklich unschuldig ist.«
    Tahâma stieß ein Fauchen aus, das an eine Wildkatze erinnerte.
    »Und wenn du mich noch so wütend anfunkelst, das ändert gar nichts!«, sagte der Erdgnom ruhig. »Ich glaube ja auch nicht, dass er dem Schattenlord absichtlich geholfen hat, aber bevor wir nicht mit ihm gesprochen haben, können wir nur abwarten, essen, trinken und uns ausruhen.«
    Tahâma öffnete den Mund, aber der Erdgnom hob eine Hand, um sie zum Schweigen zu bringen.
    »Oder«, sagte er mit veränderter Stimme und kroch näher an den Kamin heran, »oder aber wir schleichen in das Verlies hinunter und fragen Céredas, was wirklich passiert ist.«
    »Und wie willst du hier rauskommen? Den Kamin hinaufklettern?« Das Mädchen schüttelte den Kopf.
    Wurgluck saß nun auf der kalten Feuerstelle, ohne sich darum zu kümmern, dass er seinen Kittel mit Ruß beschmierte. »Nein, aber vielleicht so!« Er bewegte einen Hebel, und ein Stück der Wand klappte zurück. »Mir ist aufgefallen, dass dies ein Kamin ist, den man von außen säubern kann«, erklärte er und deutete auf die Öffnung, die in der Höhe wie in der Breite etwa einen Fuß maß.
    »Da komme ich nicht durch«, wehrte Tahâma ab.
    Wurgluck warf ihr einen abschätzenden Blick zu und schüttelte den Kopf. »Du nicht, aber ich!« Mit diesen Worten verschwand er durch die Öffnung, ohne sich um Tahâmas Protest zu kümmern.
     
    Der Erdgnom gelangte in einen schmalen, dunklen Gang, der auf eine Felswand zuführte und sich dann nach rechts und links verzweigte. Er wandte sich nach rechts und kam an zwei weiteren Luken vorbei, ähnlich der, durch die er gekrochen war. In einer Nische konnte er zwei geschwärzte Eimer und einen Stapel Holz erahnen. Wurgluck folgte dem Gang, bis sein Weg an einer unscheinbaren Tür endete. Der Gnom musste sich mächtig recken, um die Klinke zu erreichen, doch schließlich gelang es ihm, und er lugte durch den Türspalt auf einen düsteren Vorplatz hinaus. Von rechts her schimmerte Licht durch einen Torbogen, und von dorther waren auch Stimmen zu hören. Sicher führte dieser Weg in die große Halle hinüber. Davor jedoch wand sich eine Treppe in die Tiefe.
    Der spärliche Lichtschimmer genügte dem Erdgnom, um die für ihn unbequem hohen Stufen zu erkennen. Langsam kletterte er hinunter, bis er die nächste Ebene erreichte. Ein langer Gang führte in die Dunkelheit. Rechts und links waren Bretterverschläge, aus denen es nach Holz und alten Fässern, nach Äpfeln und Kartoffeln roch, nach Zwiebeln und geräucherter Wurst. Wurgluck zögerte einen Moment, dann beschloss er, den Stufen weiter hinab zu folgen.
    Immer tiefer wand sich die Treppe. Mit einem unterdrückten Stöhnen hielt Wurgluck inne und massierte sich die schmerzenden Knie. Es war stockfinster um ihn, und selbst seine an Erdhöhlen gewöhnten Augen konnten die Stufen nur noch erahnen. Langsam ging er weiter. Der Geruch von Wurst und Gemüse war längst verflogen. Was nun zu ihm heraufstieg, reizte seinen Magen in ganz

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