Die Seele des Feuers - 10
Dalton unterlegte Teresa ihren Applaus mit begeisterten Beifallsrufen. Dalton unterdrückte, während er klatschte, ein Gähnen.
Die Sängerin entfernte sich mit großen Schritten, die Arme hoch erhoben, um sich mit ihren Flügeln für die ihr nachklingenden Pfiffe erkenntlich zu zeigen. Nachdem sie abgegangen war, betraten vier Knappen von der gegenüberliegenden Seite den Raum, in den Händen eine Plattform, auf der ein Schiff aus Marzipan in einem Meer aus Marzipanwellen trieb. Die geblähten Segel des Schiffes sahen aus, als seien sie aus Zucker.
Der Sinn des Ganzen bestand in der Ankündigung, beim nächsten Gang werde es sich um Fisch handeln, ganz so, wie der Hirsch aus Blätterteig, verfolgt von ebensolchen Hunden, die über eine Stechpalmenhecke mit einem darin verborgenen Wildschwein aus Aspik hinwegsetzten, einen der Fleischgänge und der ausgestopfte Adler mit seinen riesigen, über einer aus Karton errichteten Ansicht der Hauptstadt Fairfield ausgebreiteten Flügeln einen Geflügelgang angekündigt hatte. Eine oben auf der Galerie geschmetterte Fanfare und ein Trommelwirbel unterstrichen die Ankündigung des nächsten Ganges mit Musik.
Bislang waren fünf Gänge aufgetragen worden, jeder aus wenigstens einem Dutzend Spezialitäten bestehend. Was bedeutete, es würden noch sieben weitere folgen, jeweils mit mindestens einem Dutzend charakteristischer Speisen. Musik von Flöten, Querpfeifen und Trommeln sowie Jongleure, Troubadoure und Akrobaten unterhielten die Gäste zwischen den Gängen, während ein Baum mit kandierten Früchten die Runde um die Tische machte. Zum Entzücken aller Anwesenden wurden mechanische Pferde verteilt, deren Beinpaare sich über Kreuz in unterschiedliche Richtungen bewegen ließen.
An Fleischspeisen war alles aufgefahren worden, angefangen bei Teresas ewigem Lieblingsgericht aus Jungtieren – sie hatte drei der jungen Kaninchen verspeist –, bis hin zu Rehkitz, Schwein, Kalb sowie einem auf den Hinterbeinen stehenden Bären. Der Bär wurde von Tisch zu Tisch gerollt, an jedem Tisch wurde sein Fell, das man über den geschmorten Rumpf drapiert hatte, zur Seite gezogen, so daß die Trancheure Stücke für die Gäste herunterschneiden konnten. Geflügel gab es angefangen bei ebenjenen Spatzen, die beim Minister wegen ihrer Belebung der Lust beliebt waren, über Tauben, eine Schwanenhalspastete und Adler, bis hin zu gebackenen Reihern, denen man ihr Federkleid wieder angesteckt hatte und die mittels einer Drahtkonstruktion als Schwarm im Flug dargestellt waren.
Niemand erwartete, daß jeder eine derartige Fülle von Speisen verzehrte. Die Vielfalt sollte eine überreiche Auswahl bieten, nicht nur zur Freude der verehrten Gäste, sondern auch, um sie mit solcher Opulenz in Erstaunen zu versetzen. Ein Besuch auf dem Anwesen des Ministers für Kultur war ein Ereignis, an das man lange zurückdachte und das für viele zu einer legendären Veranstaltung wurde, von der man jahrelang sprach.
Die meisten hielten, während sie von den Speisen kosteten, ein Auge auf die Ehrentafel, wo der Minister mit zwei reichen Hintermännern saß, die er aufgefordert hatte, an seinem Tisch zu speisen, sowie auf das andere Ziel großen Interesses: den Abgesandten der Imperialen Ordnung. Stein war unter dem allgemeinen, erstaunten Getuschel über seinen kriegerischen Aufzug und den Übermantel aus menschlichen Skalps bereits vorzeitig eingetroffen. Er galt als Sensation und zog die einladenden Blicke einer Reihe von Frauen auf sich, die bei der Aussicht, einen solchen Mann in ihr Bett zu locken, weiche Knie bekamen.
Äußerlich in lebhaftem Kontrast zu dem Krieger aus der Alten Welt trug Bertrand Chanboor ein eng sitzendes, ärmelloses, wattiertes, violettes, reich mit feinen Stickereien, Goldbesatz und Silberlitzen verziertes Wams über einer schlichten kurzen Ärmeljacke. Beides zusammen verlieh seiner weichen, eher rundlichen Figur den Anschein eines männlicheren Körperbaus. Über dem niedrigen, hochgestellten Kragen des Wams’ stand eine weiße Krause. Ähnliche Rüschen schauten an Handgelenken und Hüfte hervor.
Über den Schultern von Wams und kurzer Jacke lag ein prächtiger Ausgehrock aus dunklerem Violett mit Pelzbesatz am Kragen und entlang der gesamten Vorderfront. Die weiten Ärmel wiesen unterhalb der wattierten Umschläge an den Schulterenden mit roter Seide gefütterte Schlitze auf; zwischen diesen spiralförmigen Schlitzen befanden sich von Borten unterteilte Perlenreihen.
Er
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