Die Seele des Feuers - 10
gewesen, aber der Ton. Beiläufig nahm er im Nähertreten einen vollen Becher Wein von einem vorübergleitenden Tablett und hielt ihn dem Direktor hin. Linscott nahm den Becher mit einem Nicken entgegen.
Dalton ließ von seinem offiziösen Tonfall ab und redete, als sei er von klein auf mit dem Mann befreundet. »Um die Wahrheit zu sagen, ich bin mit Euch ganz einer Meinung. Tatsächlich hatten meine Frau und ich, bevor wir heute abend herunterkamen, eine Auseinandersetzung deswegen. Sie beharrte darauf, daß dieses Kleid ganz der Mode entspräche. Als Mann in unserer Ehe habe ich mich durchgesetzt und ihr strikt verboten, das Kleid anzuziehen.«
»Warum trägt sie es dann?«
Dalton seufzte erschöpft. »Weil ich sie nicht betrüge.«
Linscott neigte den Kopf zur Seite. »Es freut mich zwar zu hören, daß Ihr Euch, was das Frönen gewisser Leidenschaften anbetrifft, den scheinbar neuen moralischen Einstellungen nicht verpflichtet fühlt, doch was hat das mit dem Weizenpreis in Kelton zu tun?«
Dalton nippte an seinem Wein, Linscott folgte seinem Beispiel.
»Nun, da ich sie nicht betrüge, käme ich im Bett wohl kaum zum Zuge, wenn ich jeden Streit gewänne.«
Zum ersten Mal zeigte sich auf Linscotts Gesicht der Anflug eines Lächelns. »Ich verstehe, was Ihr meint.«
»Die jüngeren Frauen hier kleiden sich entsetzlich. Ich war schockiert, als ich hierher kam, um meine Stelle anzutreten. Meine Frau ist allerdings jünger und hat den Wunsch, sich ihnen anzupassen und Freunde zu gewinnen. Sie hat Angst, von den anderen Frauen bei Hofe gemieden zu werden.
Ich habe mich mit dem Minister darüber unterhalten, und er ist ebenfalls der Ansicht, daß Frauen sich nicht auf diese Weise zur Schau stellen sollten, andererseits räumt unsere Kultur den Frauen das Vorrecht ein, über ihre Kleider selbst zu entscheiden. Der Minister und ich sind der Ansicht, daß uns zusammen eine Möglichkeit einfallen könnte, günstig auf die Mode einzuwirken.«
Linscott nickte billigend. »Nun, auch ich habe eine Frau, die ich ebenfalls nicht betrüge. Freut mich zu hören, daß Ihr zu den wenigen gehört, die heute noch an den alten Idealen festhalten, denen zufolge ein Gelöbnis heilig ist und die Bindung an einen Ehepartner unantastbar. Meine Anerkennung.«
Die anderische Kultur kreiste zu einem großen Teil um die Begriffe der Ehre und des feierlichen Treuegelöbnisses – man stand zu seinem Versprechen. Doch Anderith war im Begriff, sich zu verändern. Für viele war es Anlaß zu großer Sorge, daß die moralischen Schranken im Laufe der letzten Jahrzehnte für viele zum Gegenstand des Spottes geworden waren. Ausschweifungen und Wollust wurden nicht nur akzeptiert, sondern in modisch führenden Kreisen sogar erwartet.
Dalton blickte zu Teresa hinüber, dann wieder zum Direktor und schließlich noch einmal zu Teresa. Er streckte eine Hand aus.
»Direktor, dürfte ich Euch mit meiner entzückenden Frau bekannt machen? Ich würde es als eine persönliche Gefälligkeit betrachten, wenn Ihr Euren beträchtlichen Einfluß in den Dienst der Anständigkeit stellen würdet. Ihr seid ein weithin geachteter Mann und könntet mit einer moralischen Autorität aufwarten, über die ich nicht einmal ansatzweise verfüge. Sie glaubt, aus mir spricht nur der eifersüchtige Ehemann.«
Linscott überlegte nicht lange. »Das würde ich, wenn ich Euch damit einen Gefallen täte.«
Teresa ermunterte Claudine soeben, etwas Wein zu trinken, und redete tröstend auf sie ein, als Dalton den Direktor zu den beiden Frauen hinüberführte.
»Teresa, Claudine, darf ich Direktor Linscott vorstellen.«
Teresa sah ihm lächelnd in die Augen, als er elegant ihre Hand küßte. Claudine dagegen blickte starr zu Boden, als sich der Vorgang bei ihr wiederholte. Sie schien sich nichts sehnlicher zu wünschen, als sich dem Mann entweder in seine schützenden Arme zu werfen oder so schnell wie möglich davonzulaufen. Dalton legte ihr beruhigend eine Hand auf die Schulter und vereitelte dadurch das eine wie das andere.
»Teresa, Liebling, der Direktor und ich unterhielten uns soeben über die Frage von Frauenkleidern und Mode in bezug auf Anstand und Schicklichkeit.«
Teresa neigte eine Schulter Richtung Direktor, als wollte sie ihn ins Vertrauen ziehen. »Mein Gatte ist so spießig, wenn es um meine Garderobe geht. Wie denkt Ihr darüber, Direktor Linscott? Mögt Ihr mein Kleid?« Teresa strahlte vor Stolz. »Gefällt es Euch?«
Linscott löste seinen Blick
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