Die Seele des Feuers - 10
etwas Wichtiges zu sagen.«
»Wichtig? Für dich vielleicht, aber nicht für mich! Behalt es für dich, ich will nichts davon hören. Ich kenne dich. Ich weiß, wie viel Freude es dir macht…«
»Möchtest du mit ansehen müssen, dass man den Leuten, die für Inger arbeiten, etwas antut? Willst du, dass man Inger etwas antut? Es geht nicht um mich. Ich weiß nicht, warum du so schlecht von mir denkst, ich will dich aber auch gar nicht davon abbringen. Hier geht es nur um dich.«
Beata verschränkte wutschnaubend die Arme. Einen Moment lang überlegte sie. Snip vergewisserte sich mit einem Blick seitlich ins Gebüsch, dass niemand von der Straße aus herübersah. Beata strich sich das Haar hinter ein Ohr.
»Also red schon, aber erzähl mir bloß nicht, was für ein netter junger Mann du bist in deiner eleganten Uniform. Und beeil dich. Inger hat Arbeit für mich.«
Snip benetzte sich die Lippen. »Inger hat heute die Fuhre zum Anwesen begleitet. Er ist selbst gefahren, weil du dich geweigert hast, weiter zum Anwesen zu liefern…«
»Woher weißt du das?«
»Ich bekomme einiges mit.«
»Und woher wusste …?«
»Wirst du mir jetzt zuhören? Du steckst in jeder Menge Schwierigkeiten, außerdem bist du in Gefahr.«
Sie stemmte die Fäuste in die Hüften, sagte aber immer noch nichts, also fuhr er fort. »Inger glaubt, du seist auf dem Anwesen missbraucht worden. Er kam und verlangte, dass irgend etwas getan wird. Er verlangt, den Namen dessen zu erfahren, der dir das angetan hat.«
Sie musterte ihn im Mondlicht von Kopf bis Fuß.
»Woher weißt du das?«
»Hab ich doch schon gesagt, ich bekomme so einiges mit.«
»Ich hab Inger nichts von allem erzählt.«
»Spielt keine Rolle. Vielleicht ist er von ganz allein darauf gekommen, was weiß ich – wichtig ist, dass er dich mag und unbedingt will, dass etwas geschieht. Er hat sich in den Kopf gesetzt, um jeden Preis für Gerechtigkeit zu sorgen, und wird die Angelegenheit deshalb nicht auf sich beruhen lassen. Er ist fest entschlossen, Ärger deswegen zu machen.«
Sie seufzte gereizt. »Ich hätte mich nicht weigern dürfen zu fahren. Ich hätte es einfach tun sollen – ganz gleich, ob mir dasselbe vielleicht noch einmal zugestoßen wäre.«
»Ich mache dir keinen Vorwurf, Beata. An deiner Stelle hätte ich wahrscheinlich ebenso gehandelt.«
Sie musterte ihn argwöhnisch. »Trotzdem will ich wissen, wer dir das alles erzählt hat.«
»Ich bin jetzt Bote und ständig in der Nähe von wichtigen Leuten. Wichtige Leute reden darüber, was auf dem Anwesen vor sich geht. Ich bekomme mit, worüber sie sich unterhalten, das ist alles. Und das hab ich eben gehört. Die Sache ist die: Solltest du erzählen, wie es wirklich war, würde man darin einen Versuch sehen, dem Minister Schaden zuzufügen.«
»Ach, hör doch auf, Snip, ich bin ein hakenisches Mädchen. Wie könnte ich dem Minister Schaden zufügen?«
»Wie du mir selbst erzählt hast, sprechen die Leute davon, er könnte demnächst Herrscher werden. Hast du je gehört, dass jemand etwas gegen den Herrscher gesagt hätte? Nun, der Minister steht in der Tat kurz vor seiner Ernennung zum Herrscher.
Wie, meinst du, würde man es auffassen, wenn du Gelegenheit bekämst, zu erzählen, was passiert ist? Meinst du, wenn der Minister alles abstreitet, würde man glauben, du seist ein braves Mädchen und er ein Lügner? Anderier lügen nicht, das hat man uns beigebracht. Wenn du irgend etwas gegen den Minister sagst, wirst du als Lügnerin dastehen. Schlimmer noch, als Lügnerin, die versucht, dem Minister für Kultur zu schaden.«
Sie schien über seine Worte nachzudenken, als stellten sie ein unlösbares Rätsel dar.
»Na ja … eigentlich will ich ja gar nicht, aber wenn ich wirklich etwas erzählte, würde der Minister zugeben, dass es stimmt – denn es wäre ja die Wahrheit. Anderier lügen nicht, nur Hakenier sind von Natur aus verdorben. Wenn überhaupt, würde er zugeben, dass es die Wahrheit ist.«
Snip stieß einen verzweifelten Seufzer aus. Er wusste, Anderier waren rechtschaffener als sie, und Hakenier besaßen ein verdorbenes Wesen, allmählich jedoch dämmerte ihm, dass nicht alle Anderier vollkommen fehlerlos und perfekt waren.
»Sieh her, Beata, ich weiß auch, was wir gelernt haben, aber das ist nicht immer die ganze Wahrheit. Einige der Dinge, die man uns beibringt, sind einfach unlogisch. Es ist nicht alles wahr.«
»Doch, es ist alles wahr«, erwiderte sie tonlos.
»Das denkst du
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