Die Seele des Feuers - 10
sein, falls sie etwas brauchte.
»Snip«, sagte sie, von Schluchzern unterbrochen, während ihr die Tränen über die Wangen liefen, »was soll ich bloß tun? Ich schäme mich so. Ich habe alles vermasselt. Es ist alles meine Schuld – ich habe einen rechtschaffenen Anderier mit meinem widerwärtigen, böswilligen Wesen in Versuchung geführt. Das wollte ich nicht, glaube ich jedenfalls, trotzdem hab ich es getan. Was er getan hat, ist allein meine Schuld.
Aber ich kann nicht lügen und behaupten, ich sei willig gewesen, wenn ich es nicht war. Ich hab versucht, mich gegen sie zur Wehr zu setzen, aber sie waren zu stark. Ich schäme mich so. Was soll ich bloß tun?«
Snip versuchte trotz des Kloßes in seiner Kehle zu schlucken. Er hätte es lieber verschwiegen, aber ihr zuliebe musste er es sagen. Tat er es nicht, würde sie wahrscheinlich enden wie Claudine Winthrop – und er wäre derjenige, an den man sich deswegen wenden würde. Dann wäre alles vorbei, denn er wusste, dass er das unmöglich tun konnte. Er würde wieder in der Küche landen und Töpfe schrubben – im günstigsten Fall. Aber lieber das, als Beata ein Leid zuzufügen.
Snip ergriff ihre Hand und öffnete sie sacht. Er griff in seine Jackentasche und holte etwas hervor. Dann drückte er ihr die Anstecknadel mit dem spiralförmigen Ende in die Hand. Jene Anstecknadel, mit der Beata den Kragen ihres blauen Kleides zu schließen pflegte. Die Anstecknadel, die sie an besagtem Tag im dritten Stock verloren hatte.
»Tja, wie ich die Sache sehe, steckst du bis zum Hals in Schwierigkeiten, Beata. Meiner Meinung nach gibt es wirklich nur noch einen Ausweg.«
41. Kapitel
Teresa lächelte. »Aber gern.«
Dalton nahm sich zwei Kalbsklößchen mit Dill von dem Servierteller, den ihm der Diener hinhielt. Der junge Hakenier beugte ein Knie, schwenkte eleganten Schritts herum und glitt mit einer fließenden Bewegung weiter. Dalton legte das Fleisch auf der Platte ab, die er mit Teresa teilte, während diese an ihrer Lieblingsspeise, Jungkaninchen, knabberte.
Die langatmige Festlichkeit langweilte und ermüdete Dalton. Es gab wichtige Arbeiten, die seine Aufmerksamkeit verlangten. Zweifellos war es seine oberste Pflicht, dem Minister aufzuwarten, doch wäre diesem Ziel besser gedient, wenn er sich mit Angelegenheiten hinter den Kulissen der regierenden Gewalten befasste, statt vor aller Leute Augen beifällig über die Scherze des Ministers zu lachen.
Bertrand erzählte soeben einigen reichen Kaufleuten am anderen Ende der Tafel, mit einer Wurst in der Hand herumfuchtelnd, einen Witz. Am derben Lachen der Kaufleute und an der Art, wie er die Wurst handhabte, glaubte Dalton zu erkennen, um was für eine Art Scherz es sich handelte. Vor allem Stein hatte seine Freude daran.
Als das Gelächter sich legte, entschuldigte sich Bertrand sogleich überfreundlich bei seiner Frau und bat sie, ihm den Scherz zu verzeihen. Sie tat die Angelegenheit kichernd mit einer affektierten Handbewegung ab und setzte hinzu, er sei unverbesserlich. Die Gutmütigkeit, mit der sie ihren Gatten gewähren ließ, wurde von den Kaufleuten mit einem stillvergnügten Lachen quittiert.
Teresa stieß Dalton sachte mit dem Ellenbogen an und fragte leise: »Was war das für ein Scherz, den der Minister zum Besten gegeben hat? Ich konnte nichts verstehen.«
»Du solltest dem Schöpfer dankbar sein, dass er dich nicht mit einem besseren Gehör gesegnet hat. Es war einer der typischen Scherze Bertrands, wenn du weißt, was ich meine.«
»Nun«, erwiderte sie grinsend, »vielleicht erzählst du ihn mir, wenn wir zu Hause sind?«
Dalton schmunzelte. »Wenn wir zu Hause sind, Tess, werde ich ihn dir sogar zeigen.«
Sie lachte heiser. Dalton nahm eines der Kalbsklößchen in die Hand und tunkte es in eine Wein- und Ingwersoße. Er ließ sie abbeißen und ein wenig von der Soße von seinem Finger schlecken, bevor er sich den Rest in den Mund schob.
Während er kaute, wandte er seine Aufmerksamkeit drei der Direktoren auf der gegenüberliegenden Seite des Saales zu, die allem Anschein nach in eine ernste Unterhaltung vertieft waren. Mit ausholenden Handbewegungen gestikulierend, beugten sie sich vor, runzelten die Stirn, schüttelten die Köpfe und unterstrichen mit erhobenem Finger ihre jeweiligen Standpunkte. Dalton wusste, um was es bei ihrem Gespräch ging, denn fast jede Unterhaltung im Saal kreiste um ein einziges Thema: die Ermordung Claudine Winthrops.
Der Minister, in einem violett
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