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Die Seele des Feuers - 10

Die Seele des Feuers - 10

Titel: Die Seele des Feuers - 10 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Goodkind
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die nächste Gruppe, auf die sie bei ihrem Zug durch das Lager stieß, anfänglich interessiert, da sie sie für eine Hure hielten. Ihr Verlangen nach weiblicher Gesellschaft ebbte allerdings rasch ab, als sie in den Kreis des Feuerscheins trat und ihnen ein breites, lückenhaftes Grinsen zeigte – oder zumindest, dank der Hilfe von ein wenig fettigem Ruß auf ein paar ausgewählten Zähnen, die Nachahmung eines solchen.
    Tatsächlich wirkte alles zusammen recht überzeugend: die Lumpen, die sie in mehreren Lagen über ihr Kleid gestreift hatte, das dreckverschmierte, um den Kopf gewickelte Tuch – damit niemand auf den Gedanken kam, er könnte ihr lückenhaftes Feixen übersehen – und der Gehstock. Am unangenehmsten war der Stock; durch das Vortäuschen eines schlimmen Rückens war sie im Begriff, sich tatsächlich einen einzuhandeln.
    Zweimal hatten Soldaten es sich in den Kopf gesetzt, ihre Unzulänglichkeiten angesichts des Frauenmangels ignorieren zu können. Zwar waren sie auf ihre wilde, brutale Art recht gut aussehend, sie hatte ihr Ansinnen dennoch höflich abgelehnt. Das Abweisen derart hartnäckiger Annäherungsversuche war nicht ganz ohne Blutvergießen abgegangen. Zum Glück fiel es im Durcheinander des Lagerlebens niemandem auf, wenn ein Mann ganz plötzlich mit aufgeschlitzter Kehle verschied. Ein solcher Tod warf bei Männern wie denen der Imperialen Ordnung nicht mal Fragen auf.
    Ann tötete nur mit größtem Widerwillen. In Anbetracht des Einsatzauftrages dieser Soldaten und der Zwecke, für die diese sie missbraucht hätten, bevor sie sie töteten, war ihr Widerwille allerdings nicht unüberwindbar.
    Genau wie die Soldaten, die sich essend und Geschichten erzählend um das nächste Feuer scharten, dachte sich niemand etwas dabei, wenn sie durch ihre Reihen wanderte. Die meisten warfen ihr einen interessierten Blick zu, um sich dann aber wieder rasch ihrem Eintopf und dem harten Lagerbrot zuzuwenden, das sie mit Bier und unflätigen Geschichten hinunterspülten. Bettler entlockten ihnen kaum mehr als ein abfälliges Grunzen, das sie weiterscheuchen sollte.
    Bei einer Armee dieser Größe entstand eine regelrechte Marketenderkultur. Kaufleute reisten auf ihren eigenen Karren mit oder teilten sich einen mit anderen. Sie folgten im Kielwasser der Armee und boten eine Vielzahl von Diensten an, die von der Imperialen Ordnung nicht bereitgestellt wurden. Sogar einen Künstler hatte Ann gesehen, der emsig Porträts von stolzen Offizieren auf einem erfolgreichen Feldzug zeichnete. Wie jeder Künstler mit dem Wunsch nach gesicherter Anstellung und vollständiger Fingerzahl benutzte er sein Talent, um seine Kundschaft in ein denkbar vorteilhaftes Licht zu rücken, indem er sie mit wissendem Blick und freundlichem Lächeln darstellte – oder auch einem alles erobernden finsteren Blick, je nach Geschmack des Mannes.
    Fahrende Händler verkauften alles, von Fleisch und Gemüse bis hin zu seltenen Früchten aus der fernen Heimat – selbst Ann hungerte nach solchen saftigen Erinnerungen an die Alte Welt. Das Geschäft mit Glücksbringern lief glänzend. Sagte einem Soldat die von der Imperialen Ordnung bereitgestellte Verköstigung nicht zu und hatte er Geld, dann gab es Leute, die ihm nahezu alles zubereiteten, was das Herz begehrte. Spieler, Straßenhändler, Huren und Bettler umschwirrten diese gewaltige Armee wie ein Schwarm Mücken.
    Als Bettlerin verkleidet, war es für Ann ein Leichtes, durch das Lager der Imperialen Ordnung zu schlendern und sich nach Belieben umzusehen. Der einzige Preis war ein gelegentlicher Tritt in den Hintern. Eine Armee von diesen Ausmaßen zu durchkämmen, blieb trotzdem ein gewaltiges Unterfangen. Seit nahezu einer Woche war sie jetzt damit beschäftigt; sie war bis auf die Knochen müde und wurde zunehmend ungeduldig.
    Während dieser einen Woche hätte sie ganz gut von dem leben können, was sie in ihrer Maskerade als Bettlerin zusammengeschnorrt hatte – vorausgesetzt, sie hatte nichts dagegen, madenverseuchtes, angegammeltes Fleisch und fauliges Gemüse zu verspeisen. Sie nahm solche Spenden dankend entgegen, nur um sie, sobald sie außer Sicht war, fortzuschütten. Die Soldaten machten sich einen grausamen Spaß daraus, ihr die Abfälle zu geben, die sie ohnehin hatten wegwerfen wollen. Unter den Bettlern gab es trotzdem einige, die sie kräftig salzten und pfefferten und dann aßen.
    Jeden Tag, sobald es zu spät wurde, um weiterzusuchen, kehrte sie zu den

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