Die Seele des Feuers - 10
Herrscher diese hässlichen Wahrheiten enthüllen hörten. Man sah Entsetzen, Angst und Ekel, am deutlichsten jedoch spürte man die Wut. Für manche kam zu der Ernüchterung über Lord Rahl und die Mutter Konfessor noch die Empörung darüber hinzu, dass man sie zum Narren gehalten hatte, andere wiederum sahen nur ihr Misstrauen gegenüber diesen herzlosen, machtgierigen Menschen bestätigt.
Bertrand hob eine Hand. »Die Imperiale Ordnung hat sich erboten, unsere Erzeugnisse zu Preisen abzukaufen, die weit über denen liegen, die wir zur Zeit bekommen.« Die Menschen applaudierten und pfiffen.
»Lord Rahl dagegen will nichts für sie bezahlen! Die Wahl liegt ganz bei euch, meine tapferen Freunde. Entweder ihr hört auf die Lügen dieses schändlichen Zauberers aus dem fernen D’Hara, der euch um eure Rechte prellen will, der unser Land missbrauchen will, um seine widerwärtigen Geschöpfe der Magie zu verbreiten und einen nutzlosen Krieg voranzutreiben, der eure Kinder verhungern oder an den schädlichen Auswirkungen seiner irrwitzigen Banne sterben lassen will, oder aber ihr verkauft, was ihr anbaut und erzeugt, an die Imperiale Ordnung und bereichert euch und eure Familien wie noch nie zuvor.«
Inzwischen war die Menge vollends aufgebracht. Menschen brachten ihrem neuen Herrscher bislang unbekanntes Wohlwollen entgegen und hörten zum allerersten Mal handfeste Gründe, Lord Rahl abzulehnen. Mehr noch, sie hörten handfeste Gründe, ihn zu fürchten, und, am allerbesten, sie hörten handfeste Gründe, ihn zu hassen.
Dalton strich einige Punkte von seiner Liste, die er als wenig wirkungsvoll erkannt hatte, und versah jene, auf die die stärksten Reaktionen erfolgten, mit einem Kreis.
Wie er und Bertrand gewusst hatten, rief das Wort ›Kinder‹ die stärksten Reaktionen hervor; die entsetzlichen Dinge, die ihnen angeblich zustoßen würden, lösten fast einen Aufruhr aus. Die bloße Erwähnung des Wortes ›Kinder‹ ließ jede Vernunft aus den Köpfen der Menschen weichen.
Auch ›Krieg‹ erzielte den erwarteten Effekt. Zu ihrer Bestürzung erfuhren die Menschen, es sei Lord Rahl, der auf Krieg dränge, obwohl dieser unnötig sei. Die Menschen wollten um jeden Preis Frieden. Sobald sie den Preis erfuhren, würden sie ihn zahlen. Dann würde es für sie zu spät sein, sich anders zu entscheiden.
»Wir müssen dies hinter uns lassen, meine lieben Freunde, müssen es in die Vergangenheit verbannen und auch in Zukunft das Wohl Anderiths im Auge behalten. Vor uns liegt viel Arbeit. Dies ist nicht die Zeit, alles Erreichte aufzugeben, um ein Sklavenstaat dieses von weit her gekommenen Zauberers zu werden, eines Mannes, der besessen ist von Reichtum und Macht, eines Mannes, der kein anderes Ziel kennt, als uns alle in seinen aberwitzigen Krieg hineinzuziehen. Es könnte Frieden herrschen, wenn er dem Frieden nur eine Chance gäbe – doch das will er nicht.
Ich bin sicher, ein solcher Mann würde unsere Traditionen und Religion verwerfen und euch eures Herrschers berauben, doch meine Sorge gilt euch, nicht mir persönlich. Vor mir liegt noch so viel Arbeit. Ich empfinde große Liebe für das Volk von Anderith. Mir wurde ein Segen zuteil, und ich habe der Allgemeinheit viel zurückzugeben.
Ich bitte euch, ich bitte euch als stolzes Volk ganz Anderiths, diesem durchtriebenen Dämon aus D’Hara eure Verachtung zu zeigen, ihm zu zeigen, dass ihr seine niederträchtigen Methoden durchschaut.
Der Schöpfer persönlich verlangt – durch mich –, dass ihr bei dieser Gewissensentscheidung gegen Lord Rahl stimmt und ein Kreuz durch seine Verderbtheit macht. Durch seine üblen Winkelzüge! Durch seine Lügen! Durch seine Tyrannei! Macht auch ein Kreuz durch ihn und durch die Mutter Konfessor!«
Der Platz tobte. Die umstehenden Gebäude erzitterten unter dem nicht enden wollenden Jubel. Bertrand hielt seine Arme vor den Körper und formte sie zu einem großen Kreuz, das jeder der ihm Zujubelnden sehen konnte.
Hildemara, an seiner Seite, applaudierte ihm und bedachte ihn mit ihrem für die Öffentlichkeit bestimmten, gewohnt bewundernden Blick.
Als sich die Menge schließlich auf das Heben seiner um Stille bittenden Hand beruhigte, präsentierte Bertrand seine Gattin mit einer Handbewegung dem Volk; sie erntete fast ebenso großen Beifall wie er.
Hildemara, über alle Maßen erfreut angesichts ihrer neuen Rolle, bat sich mit ausgebreiteten Händen Ruhe aus. Es wurde fast augenblicklich still.
»Meine lieben
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