Die Seele des Königs (German Edition)
sie das, was er für die Klinge der Unendlichkeit brauchte.
Die ganze Zeit hindurch hatten die Menschen geglaubt, dass sie damit ihren Widerstand zeigten. Es war eine Auflehnung gegen die Bestie, die sie unterdrückte, sie zum Arbeiten zwang und mit seinen Steuern und Abgaben beinahe aushungerte. Doch nun stellte sich heraus, dass sogar dieser unbedeutende Akt der Rebellion von der Kreatur gesteuert wurde, die sie so sehr hassten.
Was würden diese Männer tun, wenn sie herausfanden, dass es diesmal keinen Leichnam zu begraben und zu verehren gab?
» Wusstest du nicht, dass es wieder so weit ist?«, fragte einer der Männer.
» Ich … habe ein Gerücht gehört«, sagte Siris. » Aber die Leute reden andauernd von dem Opfer; deshalb hatte ich nicht geglaubt, dass die Zeit schon gekommen ist.«
» Sie ist gekommen«, sagte der Mann. » Unsere Ältesten haben die Tage mit äußerster Sorgfalt gezählt. Alle drei Dörfer sind zum selben Ergebnis gekommen.«
» Begleitet uns«, bot einer der Männer an. » Dann könnt ihr euren Enkeln erzählen, dass ihr ihn gesehen habt. In jeder Generation gibt es nur ein einziges Opfer.«
Siris gab die Feldflasche zurück und schüttelte den Kopf. » Es tut mir leid, aber ich habe andere Ziele. Allerdings wünsche ich euch viel Glück.«
Sie trennten sich voneinander; die Männer marschierten weiter auf die Burg des Gottkönigs zu. Siris sah ihnen ernst nach, bis Isa neben ihn ritt.
» Ich mache mir Sorgen um sie«, sagte er. » Was wird der Gottkönig ihnen antun?«
» Vermutlich gar nichts«, erwiderte sie. » Er braucht sie und die anderen, die zu ihm kommen, um die Botschaften zu verbreiten, die er anlässlich seiner Wiederkunft als nützlich ansieht. Oder er wirft einen Leichnam aus der Burg und tut so, als sei er nie besiegt worden, sondern habe das Opfer getötet.«
Dann wird die Tradition fortgesetzt , dachte Siris beunruhigt. Und nur ich allein kenne die Wahrheit .
Ein weiterer Grund für den Gottkönig, ihn zu jagen. » Du hast dich nicht an dem Gespräch beteiligt.«
» Sie hätten meinen Akzent bemerkt«, sagte sie. » Außerdem wirke ich abstoßend auf jeden, dem ich begegne.«
» Das könnte an den Armbrustpfeilen liegen, die du auf die Leute abschießt, bevor du dich ihnen vorstellst«, sagte Siris. » Vielleicht solltest du dir angewöhnen, das nicht mehr zu tun.«
» Ein erstaunlicher Vorschlag.«
» Man hat mir schon oft gesagt, dass ich bewundernswert gut mit Menschen umgehen kann und sehr kostbare Ratschläge gebe.«
» Das scheint wirklich der Fall zu sein«, meinte sie.
Er warf ihr einen kurzen Blick zu. Sie klang aufrichtig.
» Sie haben dir sofort vertraut«, meinte sie. » Mir vertraut nie jemand. Immer nimmt man an, dass ich lüge, betrüge oder etwas verheimliche.«
» Stimmt das denn?«
» Immer«, sagte sie geistesabwesend. » Zur Hölle, ich habe gegenwärtig sechs geschmuggelte magische Zielvorrichtungen in meinen Satteltaschen.«
» Wirklich?«
» Aber ich kann diese toorim Dinger nicht aktivieren«, sagte sie. Er kannte das Wort nicht, das sie gerade benutzt hatte. » Man braucht ein magisches Rohr dazu. Aber darum geht es jetzt nicht. Die Leute vertrauen mir einfach nicht.«
» Du könntest versuchen, ehrlich zu sein.«
» Das funktioniert nicht«, sagte sie. » Je ehrlicher ich bin, desto weniger glaubt man mir. Es ist wie bei unserem Gespräch über die Ringe. Ich weiß wirklich nichts über sie.«
Siris zögerte.
» Du bist skeptisch«, sagte sie.
» Ich …«
» Das ist schon in Ordnung. Daran bin ich gewöhnt. Aber du … du bist aufrichtig.« Das schien sie zu verwirren. » Was ist das für ein Opfer, von dem sie gesprochen haben?«
» Das weißt du nicht?«, fragte er entsetzt und wandte sich ihr zu.
» Nein.«
» Das weiß doch jeder.«
» Kläre mich auf.«
» In jeder Generation wird ein Mann auserwählt, der gegen den Gottkönig kämpfen soll«, sagte er und schritt weiter die Straße entlang.
» Auserwählt? Wie?«
» Es ist immer der nächste Verwandte in meiner Familie«, erwiderte Siris. » Für gewöhnlich heiratet das Opfer und zeugt ein Kind, bevor es aufbricht.«
» Du bist also verheiratet?«
» Nein«, sagte er.
» Aber …«
» Für mich lagen die Dinge anders.«
Er hatte es nicht über sich gebracht. Das Mädchen, das die Dorfältesten für ihn ausgesucht hatten, war zwar nett gewesen, aber Siris hatte sich nicht dazu zwingen können, es zu heiraten, weil er es schon ein Jahr später zur
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