Die Seele des Königs (German Edition)
an deiner Aussprache arbeiten. So wie du es sagst, klingt es ganz wie …«
Plötzlich erstarrte Isa, richtete den Blick nach vorn und war ganz wachsam.
Siris verstummte und zog die Klinge der Unendlichkeit aus der Scheide. Was war das? Stimmen , dachte er.
Isa streckte den Finger aus. » Vor uns, glaube ich.«
» Stimmt.«
» Versteck das Schwert! Denk an das, was ich gesagt habe!«
» Ich bin kein Narr«, sagte Siris und legte sich den Mantel über die Schulter. Isa überprüfte ihre Armbrust und vergewisserte sich, dass sie nicht sichtbar war. Es wäre nicht gut, wenn es zu einem Handgemenge kommen sollte – zumindest nicht sofort. Er zweifelte, dass sie vom Sattel aus richtig zielen und die Waffe spannen konnte.
Eine kleine Gruppe erschien auf einer Anhöhe vor ihnen, zu der die Straße hochführte. Isa verlangsamte ihr Pferd und beobachtete die abgerissenen Menschen. Sie schienen nicht gefährlich zu sein. Es waren drei Männer mit Kappen und in Arbeiterkleidung. Sie trugen keine Hosen, sondern nur knielange Hemden und Sandalen.
Sicherlich kamen sie aus einem der landwirtschaftlichen Gebiete, die nicht weit entfernt im Westen lagen. Es war ein Schock für Siris gewesen, als er zum ersten Mal bemerkt hatte, dass selbst die Menschen aus der Nachbarschaft völlig anders gekleidet waren als die in Drems Rachen. Die Männer blieben mitten auf der Straße stehen, als sie Isa und Siris bemerkten. Ihre Unterhaltung erstarb.
Sie versuchen uns einzuschätzen , dachte Siris. Isa hatte ein Pferd, und ein solches besaß nur jemand, der reich war, in hohem Ansehen stand oder Glück im Leben gehabt hatte. Aber wie Isa gesagt hatte, schienen die drei Männer wegen des scheinbaren Fehlens von Waffen zu der Überzeugung zu kommen, dass Isa und Siris keine Bedrohung für sie darstellten. Die Bauern zogen weiter. Sie trugen Bündel an Stecken über der Schulter und bewegten sich vorsichtig.
» Ho, ihr Reisenden!«, rief einer von ihnen, als sich die beiden Gruppen genähert hatten. » Ihr kommt aus dem Osten! Was gibt es dort Neues?« Die Stimme des Mannes klang nervös.
» Es ist heiß dort«, rief Siris zurück. » Und staubig. Und was gibt es Neues im Westen?«
» So ziemlich dasselbe«, rief der Mann, dessen Stimme nun ruhiger wurde. » Und ein bisschen Wind dazu.«
» Das hört sich gut an.«
» Es ist aber ein heißer, staubiger Wind.«
Siris lachte und schritt auf die Männer zu. Die drei entspannten sich, und einer zog eine Feldflasche hervor und bot ihm einen Trunk an. Alle waren mittleren Alters, doch die harte Arbeit unter der sengenden Sonne machte die Menschen rasch zu Greisen.
» Danke«, sagte Siris und nahm die Flasche entgegen. Vermutlich befand sich nur Wasser in ihr, aber es war trotzdem ungewöhnlich, dass jemand etwas mit einem Fremden teilte.
» Es ist ein schöner Tag, junger Reisender«, sagte einer der Männer. » Sag mir … kommst du von der Huldigung?«
» Huldigung?«
» Von der Huldigung des Opfers?«, fragte der Mann.
» Ist es denn dargebracht worden?«, fragte Siris zurück und roch an der Flasche, dann hob er sie an den Mund. Er tat so, als würde er trinken, aber das Wasser berührte kaum seine Lippen. Es konnte nicht schaden, vorsichtig zu sein.
» Allerdings«, sagte einer der anderen Männer leise und in feierlichem Tonfall. » Ein Sterblicher ist ausgesandt worden, um dem Gottkönig gegenüberzutreten.«
Der dritte Mann deutete auf sein Bündel. » Darin sind Gewürze von drei Dörfern. Es ist eine Gabe für das Grab des Opfers. Wir wurden dazu auserwählt. Falls es noch nicht beerdigt sein sollte, werden wir uns darum kümmern.«
Jeder kannte die Geschichte, die Legende. Der Tradition zufolge warf der Gottkönig den Leichnam des Opfers aus der Burg und mischte sich nicht ein, wenn jemand kam, um ihn zu holen. Von jedem Dorf wurden ein oder zwei Männer ausgesandt. Der Gottkönig würde ihnen nichts antun, während sie Rüstung und Schild an sich nahmen und dann den gefallenen Helden begruben. Die Rüstung kehrte in den Heimatort des Opfers zurück, wo sie an das nächste auserwählte Opfer übergeben wurde, das für gewöhnlich der Sohn des Helden war. Siris hatte mit dieser Tradition gebrochen, weil er vor seiner Abreise weder geheiratet noch ein Kind gezeugt hatte.
Es hatte Siris immer gewundert, dass der Gottkönig die Heimholung der Rüstung erlaubte, doch nun ergab es einen Sinn. Der Gottkönig wollte , dass die Opfer weiterhin kamen. Aus irgendeinem Grund waren
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