Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Seele des Königs (German Edition)

Die Seele des Königs (German Edition)

Titel: Die Seele des Königs (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brandon Sanderson
Vom Netzwerk:
Gaotona. » Und es wurde aus närrischem Stolz vernichtet.«
    » Es war sein Werk!«
    » Nicht mehr«, sagte Gaotona. » Es gehörte jedem, der es betrachtete. Du hättest dich nicht darauf einlassen dürfen. Ein Kunstwerk zu vernichten ist niemals richtig.« Er zögerte. » Trotzdem glaube ich, dass ich dich verstehen kann. Deine Tat zeugt von einer gewissen Vornehmheit. Dein Ziel war das Mondzepter. Indem du das Gemälde vernichtet hast, hast du dich in Gefahr gebracht.«
    » ShuXen hat mir das Malen beigebracht, als ich jung war«, sagte sie. » Es war mir nicht möglich, seine Bitte abzulehnen.«
    Gaotona war offenbar anderer Meinung, aber er schien sie zu verstehen. Dunkle Nacht, Shai fühlte sich vollkommen entblößt.
    Das ist wichtig , sagte sie zu sich selbst. Und vielleicht …
    Aber er gab ihr die Platten nicht zurück. Doch eigentlich hatte sie das auch nicht erwartet. Noch nicht. Nicht bis sie ein Abkommen geschlossen hatten – ein Abkommen, dessen Erfüllung sie nicht mehr erleben würde, es sei denn, sie konnte fliehen.
    Sie arbeiteten sich durch die letzte Gruppe von Stempeln. Jeder hielt mindestens eine Minute, so wie sie es vermutet hatte. Nun hatte sie eine Vorstellung und Vision von der endgültigen Seele. Als sie den sechsten Stempel dieses Tages ausprobiert hatte, wartete Gaotona auf den nächsten.
    » Das war es«, sagte Shai.
    » Sind wir für heute fertig?«
    » Wir sind ganz fertig«, meinte Shai und steckte den letzten Stempel weg.
    » Du hast es geschafft?«, fragte Gaotona und setzte sich aufrecht. » Beinahe einen Monat zu früh! Das ist …«
    » Ich bin noch nicht fertig«, wandte Shai ein. » Jetzt kommt der schwierigste Teil. Ich muss diese Hunderte von Stempeln bis in die kleinste Einzelheit nachgravieren, sie vereinigen und daraus einen einzelnen Stempel machen. Bisher habe ich sozusagen nur die Farben gemischt und die Vorstudien gemacht. Und jetzt muss ich alles zusammenfügen. Als ich das zum letzten Mal gemacht habe, hat es fast fünf Monate gedauert.«
    » Aber du hast nur vierundzwanzig Tage.«
    » Aber ich habe nur vierundzwanzig Tage«, wiederholte Shai und verspürte sofort ein stechendes Schuldgefühl. Sie musste fliehen. Sehr bald. Sie konnte nicht warten, bis das Projekt beendet war.
    » Dann werde ich dich jetzt damit allein lassen«, sagte Gaotona, stand auf und rollte seinen Ärmel herunter.

TAG FÜNFUNDACHTZIG
    J a , dachte Shai, als sie an ihr Bett trat und die Papiere durchwühlte, die darauf lagen. Der Tisch war nicht mehr groß genug. Sie hatte die Laken glatt gezogen und das Bett zu einer Ablage für all ihre Unterlagen gemacht. Ja, seine erste Liebe kam aus einem Märchenbuch . Das war der Grund, warum … Kurshinas rote Haare … Das war unbewusst. Er hatte keine Ahnung davon. Es musste also ganz tief in ihm eingegraben sein.
    Wie hatte ihr das entgehen können? Sie war der Vollendung noch lange nicht so nahe, wie sie geglaubt hatte. Und ihr lief die Zeit davon!
    Shai fügte das, was sie herausgefunden hatte, dem Siegel hinzu, an dem sie gerade arbeitete und das alle unterschiedlichen Aspekte von Ashravans romantischen Neigungen und Erfahrungen darstellte. Sie schloss alles mit ein: das Peinliche, das Beschämende, das Wunderbare. Alles, was sie hatte herausfinden können, und auch noch ein wenig mehr: berechtigte Mutmaßungen, mit denen sie den Rest der Seele ausfüllte. Eine aufregende Begegnung mit einer Frau, an deren Namen Ashravan sich nicht mehr erinnern konnte. Müßige Fantasien. Eine Fast-Affäre mit einer Frau, die inzwischen gestorben war.
    Das war der schwierigste Teil bei der Nachschöpfung einer jeden Seele, denn es war der privateste. Wenig von dem, was ein Kaiser tat, war wirklich geheim, aber Ashravan war schließlich nicht immer Kaiser gewesen.
    Sie musste ihre Schlüsse ziehen, denn sonst würde die Seele nackt und ohne Leidenschaften bleiben.
    So privat, so mächtig . Sie fühlte sich Ashravan besonders nahe, als sie diese Einzelheiten erfand. Es war nichts Voyeuristisches, sondern sie war zu einem Teil von ihm geworden.
    Nun führte sie zwei Bücher. Die offiziellen Notizen über ihre Arbeit verrieten, dass sie schrecklich hinter ihrem Zeitplan zurücklag; in diesem Buch waren die Einzelheiten ausgelassen. Das andere Buch war ihr echtes, richtiges; es war verkleidet als nutzloser Haufen von beiläufigen und zufälligen Bemerkungen.
    Sie lag tatsächlich in ihren Arbeiten zurück, aber nicht so sehr, wie ihre offizielle Dokumentation

Weitere Kostenlose Bücher